Schädigt Neue Gentechnik Bienen? Hinweise bei gentechnisch veränderten Agrosprit-Pflanzen
Berlin (ots)
Der Anbau von "NGT-Pflanzen" kann die Gehirnfunktionen und die Fortpflanzungsfähigkeit bestäubender Insekten schädigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Rahmen der "EU Pollinator Week 2023" in Brüssel vorgestellte Analyse der Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU). In der Studie werteten die Molekularbiologin Dr. Franziska Koller und der Evolutionsgenetiker und Züchtungsbiologe Dr. Michael Cieslak rund 50 aktuelle wissenschaftliche Arbeiten über Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) aus.
Für Bienen und andere Bestäuber sind Blütenpollen mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFAs, Polyunsaturated fatty acids) eine lebensnotwendige Nährstoffquelle, die sie auch zur Aufzucht ihres Nachwuchses sammeln. Laut neuer Studienlage entwickeln Bienen, deren Nahrung zu wenige dieser Fettsäuren enthält, ein kleineres Gehirn und sind in ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt.
Pflanzenzüchter setzen Neue Gentechnik jedoch gezielt ein, um den Gehalt von PUFAs (Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren) in Ölpflanzen wie Raps und Leindotter drastisch abzusenken. Der Grund: Diese Fettsäuren bereiten bei der Herstellung von Agrosprit Probleme. Bereits die konventionelle Zucht hat die für das Überleben der Bestäuber essenzielle Fettsäure-Zusammensetzung bei Ölsaaten verändert. Doch die Neue Gentechnik kann diese Entwicklung erheblich beschleunigen und die Veränderungen sogar noch ausweiten. Mit möglicherweise fatalen Auswirkungen für Bienen und Bestäuber. Blütenpollen von gentechnisch veränderten Kreuzblütlern (Brassicaceae) wäre dann als Nahrungsgrundlage für Bestäuber ungeeignet.
Der renommierte Neurobiologe, Bienenforscher und wissenschaftliche Beirat der Aurelia Stiftung, Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel (FU Berlin), kommentiert die Ergebnisse der FGU wie folgt:
"Die Studienlage weist eindeutig darauf hin, welche Gefahren für die Bestäuber, insbesondere die Honigbiene, bestehen, wenn die Zusammensetzung der Öle von Brassicaceae verändert wird, weil diese im Pollen abgelagert werden. Auch das Potential der Auskreuzung in "Unkraut-Brassicae"-Arten stellt für mich eine besondere Gefahr dar. Die Änderungen in der Farbgebung und der Blütenkonstruktion wären wohl für die Honigbiene weiter keine Gefahr, falls sich kein Sporn entwickeln würde, in dem der Nektar nicht mehr erreichbar ist für Apis und Wildbienen mit kurzem beziehungsweise mittellangem Rüssel. Für mich ergibt sich die naheliegende und dringende Schlussfolgerung, dass eine nicht überprüfte NGT-Anwendung unverantwortlich ist."
Derzeit verhandeln die EU-Kommission, das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten über die Abschaffung der bestehenden Risikoprüfung und der Kennzeichnungspflicht für den Großteil der Pflanzen aus Neuer Gentechnik. Mögliche Auswirkungen neuer gentechnisch veränderter Pflanzen auf Mensch und Natur würden dann nicht mehr überprüft. Laut einer repräsentativen Umfrage von Forsa wird dies von über 90 Prozent der Verbraucher:innen abgelehnt.
Bernd Rodekohr, Fachreferent "Biene und Gentechnik" der Aurelia Stiftung, erklärt dazu:
"Es ist fatal, wenn Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir der EU-Kommission grünes Licht für Pflanzen aus Neuer Gentechnik gibt, deren Pollen nicht mehr als Nahrungsgrundlage für Bestäuber taugt. Bereits heute werden die meisten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen nur noch unzureichend durch wildlebende Bienen, Hummeln, Käfer oder Schmetterlinge bestäubt, was die Produktion von gesunden Lebensmitteln verknappt, verteuert und auf lange Sicht unsere Ernährungssicherheit gefährden kann. Pflanzen aus Neuer Gentechnik dürfen keinesfalls ohne eine sorgfältige wissenschaftliche Prüfung ihrer Risiken in die Umwelt entlassen werden. Minister Özdemir muss im EU-Agrarrat Mehrheiten für eine bienen- und bestäuberfreundliche NGT-Regulierung organisieren!"
Weitere Informationen
Hintergrundbericht der Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU):
https://fachstelle-gentechnik-umwelt.de/wp-content/uploads/Brassicaceae_Background.pdf
Studie: Omega-3-Mangel beeinträchtigt die Lernfähigkeit von Honigbienen:
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1517375112
Harvard-Studie: Bestäuberdefizite, Lebensmittelkonsum und Folgen für die menschliche Gesundheit:
https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/EHP10947
Forsa-Umfrageergebnisse zur Neuen Gentechnik (foodwatch e. V.):
Aurelia Stiftung zur Gentechnik:
https://www.aurelia-stiftung.de/?s=gentechnik
https://www.biene-gentechnik.de/nicht-hinter-unserem-ruecken/
Pressekontakt:
Bernd Rodekohr, Fachreferent "Biene und Gentechnik" der Aurelia
Stiftung:
bernd.rodekohr@aurelia-stiftung.de
Matthias Wolfschmidt, Vorstand der Aurelia Stiftung:
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Julia Lieth, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
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