Mobilfunk: Herr Merz, wieso missachten Sie den Technikfolgenbericht des Bundestags?
Pressemitteilung von diagnose:funk vom 24.4. 2025
Mobilfunk: Herr Merz, wieso missachten Sie den Technikfolgenbericht des Bundestags?
Das fehlt im Koalitionsvertrag: Grenzwertsenkung, strahlungsarme Techniken, neue Standards, Information der Bevölkerung, Schutzzonen
Stuttgart, 24.4.2025: Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk fragt den zukünftigen Bundeskanzler Friedrich Merz, wieso er den Empfehlungen des Technikfolgenberichts des Bundestags zu Mobilfunkstrahlung im Koalitionsvertrag nicht folgt. Die gleiche Frage müssen sich auch die SPD und die CSU gefallen lassen.
Der Technikfolgenbericht vom Februar 2023 (Bundesdrucksache 20/5646), von allen Bundestagsfraktionen einstimmig verabschiedet, benennt wissenschaftlich belegte Gesundheitsgefahren, die von Mobilfunkstrahlung ausgehen. Als politische Optionen zur Strahlenreduzierung und damit im Sinne des Vorsorgeprinzips listet der Technikfolgenbericht Grenzwertsenkung, emissionsärmere Technologien, neue Standards, Information der Bevölkerung und Schutzzonen auf. Doch davon findet sich rein gar nichts im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Im Gegenteil: Der Mobilfunk soll beschleunigt ausgebaut werden (sogenanntes „überragendes öffentliches Interesse“). Hier werden wissenschaftliche Erkenntnisse und das Vorsorgeprinzip bezüglich des Gesundheitsschutzes von den Koalitionsparteien sträflich missachtet. Auch die Erkenntnisse und Vorschläge des Technikfolgenbericht des Bundestags, den CDU, CSU und SPD vor 2 Jahren mit verabschiedet haben, finden sich im Koalitionsvertrag nicht wieder.
„Die Aussagen des Technikfolgenberichts sind klar und eindeutig. Doch CDU, CSU, SPD und allen voran Friedrich Merz schert das offensichtlich kein bisschen“, konstatiert Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk. „Ein erster Ansatz zur Strahlenreduzierung ist das nationale Roaming – auch Net-Sharing genannt: Ein Netz für alle. Die Bundesnetzagentur möchte dieses Net-Sharing einführen, die Verbraucherschutzminister der Länder haben es im Sommer 2023 gefordert und Telekom, Vodafone und O2 setzen es bereits freiwillig an über 2.000 Standorten um. Herr Merz, der große Wurf wäre, nationales Roaming als technischen Standard jetzt einzuführen – für eine bessere Netzabdeckung bei weniger Strahlung.“
Zitate aus dem Technikfolgenabschätzungsbericht
„Neben einer Anpassung der Grenzwerte können auch Beschränkungen der Verwendung (z. B. die Einrichtung von Schutzzonen, in denen die Verwendung von Mobiltelefonen oder die Errichtung von Sendeanlagen verboten oder stark eingeschränkt wird), technische Standards oder die verstärkte Information der Bevölkerung in Betracht gezogen werden. Auch über die vom BfS empfohlenen [...] Anwendungsempfehlungen deutlich hinausgehende kommen infrage.“
„Entwicklung emissionsärmerer Technologien, um die Strahlenbelastung durch EMF des Mobilfunks und anderer Quellen zu minimieren.“
Quelle: Drs. 20/5646, S. 17-18 (Zusammenfassung, Optionen für weiteres Vorgehen, Hervorhebungen durch diagnose:funk)
Politische Optionen: Was kann die Bundesregierung tun?
Anpassung der Grenzwerte: Die aktuell gültigen Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung schützen nur vor übermäßiger Erwärmung des Körpers (was auch gesundheitsschädlich ist). Um aber auch vor nicht-thermischen Effekten wie Krebs, Unfruchtbarkeit, oxidativer Zellstress, kognitive Schäden, Epilepsie oder Elektrohypersensibilität zu schützen, müssen die Grenzwerte erheblich gesenkt werden – das legen alle seriösen Studien zu diesem Thema nahe. diagnose:funk schlägt daher wissenschaftlich gut begründbar einen Grenzwert von 100 µW/m² vor (zum Vergl.: aktueller Grenzwert 10.000.000 µW/m², sehr guter LTE-Empfang noch bei -80 dBm = 0,001 µW/m², siehe https://www.lte-anbieter.info/technik/asu.php).
Schutzzonen: Der TA-Bericht nennt die Einrichtung von Schutzzonen, in denen die Verwendung von Mobiltelefonen oder die Errichtung von Sendeanlagen verboten oder stark eingeschränkt wird. Daher werden zum Schutz für Elektrohypersensible – analog dem Nichtraucherschutz und im Sinne der Barrierefreiheit – mobilfunkarme und WLAN-freie Zonen eingerichtet, u.a. in öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Strahlungsarme Wohn- und Erholungsgebiete werden öffentlich gefördert und konzeptionell unterstützt.
technische Standards: Nationales Roaming bzw. Net-Sharing – Ein Netz für alle: Bisher betreiben die Mobilfunkanbieter mehrere Netze parallel (3x GSM, 3x LTE, 4x 5G). Dies ist ineffizient, weil jede Nutzerin und jeder Nutzer immer nur ein Netz tatsächlich benötigt. Die jeweils anderen (parallel betriebenen) Netze strahlen also umsonst und führen so zu unnötiger Strahlenbelastung und unnötigem Energieverbrauch. Wenn Smartphones jedoch in jedem Mobilfunknetz funktionieren – unabhängig vom eigenen Anbieter – ist die Versorgung mit einem Schlag für alle verbessert: Es ist nur noch ein Netz nötig. Zur flächendeckenden Versorgung werden dann weniger Antennen benötigt, der Neubau entfällt in vielen Fällen, Finanz- und Ressourcenaufwand für die nötige Infrastruktur sinken.
emissionsärmere Technologien: Licht statt Funk für die drahtlose Datenübertragung: Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass WLAN-Strahlung gesundheitsschädlich ist. Die gesundheitlich unbedenkliche Alternative heißt Light Fidelity (LiFi): Hierbei werden die Daten per Licht- oder Infrarot-LEDs übertragen. An Licht und Infrarot ist unser Organismus gewöhnt. Diese Technik ist also nicht nur gesundheitlich unbedenklich, sondern auch schneller als WLAN, abhörsicher und inzwischen serienreif.
Information der Bevölkerung: Dazu gehören vorsorgeorientierte Aufklärungskampagnen zur möglichen Krebsgefahr, zu möglichen Fruchtbarkeitsstörungen und anderen Gesundheitsgefahren, zu denen evidenzbasierte Hinweise vorliegen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Schutz von Kindern und Schwangeren. Hinzu kommen Verhaltensempfehlungen für die Verwendung von strahlenden Endgeräten wie z.B. ausreichend Abstand zwischen Gerät und Körper oder beschränkte Verwendungsdauer.
diagnose:funk listet in einem Dossier in 7 Politikfeldern 21 Vorschläge auf, wie die neue Bundesregierung gesundheitsorientierte Mobilfunkpolitik umsetzen kann: https://www.diagnose-funk.org/2183. Die hier aufgelisteten 5 Vorschläge sind Teil dieses Dossiers.
Kontakt für Rückfragen:
- Jörn Gutbier, erster Vorsitzender von diagnose:funk, Tel. 0711-250869-1
- Peter Hensinger, zweiter Vorsitzender von diagnose:funk, Fachbereich Wissenschaft, Tel. 0711-250869-2
- Matthias von Herrmann, Pressereferent, Tel. 0711-250869-4 oder 0174-7497868
Presseportal: https://www.presseportal.de/nr/134366
diagnose:funk ist eine unabhängige Umwelt- und Verbraucher-Organisation, die sich seit 2009 für den Schutz vor elektromagnetischen Feldern einsetzt. Dazu klärt diagnose:funk über die schädigenden Wirkungen u.a. von Mobilfunk- und WLAN-Strahlung auf und fordert zukunftsfähige technische Lösungen für eine gesundheitsverträgliche Telekommunikation. Unser Motto: Technik sinnvoll nutzen!
diagnose:funk / Bismarckstr. 63 / 70197 Stuttgart Vertreten durch Jörn Gutbier und Peter Hensinger. https://www.diagnose-funk.org