Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland
Teure Hoffnung: Coaching aus dem Ausland ist keine Alternative für Psychotherapie
Mehr als 4000 Euro sollte eine deutsche Verbraucherin für einen Coaching-Kurs einer zypriotischen Firma zahlen, der ihr Hilfe in einer psychischen Notsituation versprach. Patientinnen und Patienten warten in Deutschland mehrere Monate auf einen ersten Termin für eine Psychotherapie. In der Zwischenzeit suchen sie online nach Informationen und geraten dabei an selbsternannte Coaches, deren Angebote keinesfalls mit einer Therapie gleichgesetzt werden können. Das Coaching wird häufig von Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten vermarktet. Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland berät regelmäßig Verbraucherinnen und Verbraucher, denen Coaching-Verträge aufgedrängt wurden.
Kritisch hinschauen spart Geld und Nerven
Kaum ein Klick im Internet ohne Werbung für Coaching. Vom schnellen Geld ohne viel Arbeit über persönliche Weiterentwicklung bis hin zum Flirt-Profi und nun sogar psychotherapeutische Angebote - es finden sich Schulungsangebote für fast alles. Das Problem: Coaching ist nicht reguliert. Deshalb darf sich jeder Coach nennen. Am Grundgedanken des Coachings ist nichts falsch. Im Gegenteil: Viele Menschen lassen sich erfolgreich coachen, um sich und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Da aber die Berufsbezeichnung Coach nicht gesetzlich geschützt ist, haben es schwarze Schafe leicht.
Unseriöse „Online-Berater“ oder „Life-Coaches“ überreden Verbraucherinnen und Verbraucher zu zweifelhaften Coaching-Programmen. Das ist insbesondere dann gefährlich, wenn das Coaching eine dringend benötigte Psychotherapie ersetzen soll. Allein mit dem sogenannten „Mindset“, also einer bestimmten Denkweise oder Lebenseinstellung, ist den Betroffenen keineswegs geholfen. Viele Menschen tappen in die „Mindset-Falle“ und zahlen viel Geld, oft ihr gesamtes Erspartes, für Unsinn.
Die Verkaufsstrategie: Überreden, bis der Vertrag geschlossen ist
Für eine angemessene Behandlung einer psychischen Krise sind nur Psychotherapeuten ausgebildet. Coaches, die das Gegenteil behaupten, bieten lediglich Kurse mit zweifelhafter Qualität an. Betroffene werden vielmehr dazu animiert, teure Online-Kurse zu buchen. Geschulte Verkäufer drängen in persönlichen Gesprächen online oder am Telefon, kontern Zweifel und übergehen Unsicherheiten.
„Wer erwähnt, über den Vertrag noch einmal nachdenken zu wollen, muss mit dem Vorwurf rechnen, man verkenne das eigene Problem und würde vor der doch offensichtlichen Lösung davonlaufen“, berichtet Karolina Wojtal, Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland, aus einem Fall. Ziel sei, die Käuferin oder den Käufer so lange im Gespräch zu halten, bis der Vertrag geschlossen und bezahlt ist.
„Unseriösen Coaches können Betroffene, die sich an uns wenden, meist nur wenig entgegensetzen. Mit ihrem Angebot vermitteln sie zunächst Hoffnung, üben gleichzeitig aber enormen Druck aus, der hinterher kaum nachzuweisen ist“, erklärt Wojtal weiter.
Die Masche mit dem Widerrufsverzicht
Wer schnell Zweifel bekommt und aus dem Vertrag möchte, muss damit rechnen, dass die Beendigung des Vertrages abgelehnt wird. Man habe schließlich auf das Widerrufsrecht verzichtet. Wer nicht zahlt, bekommt Mahnungen und nicht selten unerfreuliche Post von einer Inkasso-Firma. Die Taktik: Während des Verkaufsgesprächs müssen Betroffene per Klick den Verzicht auf ihr Widerrufsrecht erklären und teilweise sogar anklicken, als Unternehmerin bzw. Unternehmer zu handeln. So unfair, wie es klingt, so zweifelhaft ist die Praxis. Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland hat die Erfahrung gemacht, dass es schwer ist, außergerichtlich eine Lösung mit den ausländischen Anbietern zu finden. Deshalb müssen sich Betroffene oft auf ein Gerichtsverfahren einstellen, um das gezahlte Geld zurückzubekommen. Damit es nicht soweit kommt, bleibt die einzige erfolgreiche Strategie: das Gespräch sofort beenden, wenn keine Bedenkzeit gewährt wird.
Das EVZ Deutschland zeigt in einem Video, wie unseriöse Business-Coaches vorgehen.
Für Interview-Anfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Ansprechpartnerin für die Presse: Anna Maria Brünke
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