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Digitales Fachforum KULTUR MACHT ANDERE: Abschlussveranstaltung des BMBF-geförderten Forschungsprojekts FluDiKuBi, Abteilung Aachen

Digitales Fachforum KULTUR MACHT ANDERE: Abschlussveranstaltung des BMBF-geförderten Forschungsprojekts FluDiKuBi, Abteilung Aachen
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Vom 8.-10. Juni 2020 fand das digitale Fachforum "KULTUR MACHT ANDERE. Rassismuskritische Perspektiven für die Kulturelle Bildung in der Migrationsgesellschaft" statt, welches mit Hilfe des Transfernetzwerks s_inn und in Kooperation mit dem Zentrum für Forschungsförderung und Weiterbildung der KatHO NRW durchgeführt wurde. Mehr als 130 Teilnehmer_innen setzten sich mit den Ergebnissen des Aachener Forschungsprojekts "Flucht - Diversität - Kulturelle Bildung" auseinander. Dabei wurden die zentralen Ergebnisse aus zwei interdisziplinären Perspektiven kommentiert und in fünf Workshops diskutiert.

Die Auseinandersetzung mit Rassismus hat in den vergangenen Wochen und Monaten eine globale Dynamik entwickelt. Ausgelöst durch Akte rassistischer Polizeigewalt wie zuletzt in den USA oder durch die Anschläge von Hanau und Halle demonstrierten tausende Menschen. Viele solidarisierten sich in Zuge dessen mit der "Black Lives Matter"-Bewegung. Diese aktuellen Entwicklungen unterstrichen die gesellschaftliche Relevanz des digitalen Fachforums "KULTUR MACHT ANDERE". Auf dem Fachforum wurden die Ergebnisse aus mehr als drei Jahren rassismuskritischer Forschung zur Kulturellen Bildung vorgestellt, kommentiert und diskutiert.

Das Forschungsprojekt FluDiKuBi

Das Forschungsprojekt "Flucht - Diversität - Kulturelle Bildung. Rassimuskritische und diversitätssensible Diskursanalyse kultureller Bildungsangebote im Kontext von Flucht und Migration" widmet sich der grundlegenden Frage, wie in der künstlerisch-ästhetischen Bildungspraxis Vorstellungen von Kultur mit normativen Orientierungen in Bezug auf Flucht und Migration verknüpft sind. Das heißt: Wie wird in Kontexten der Kulturellen Bildung über Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen gesprochen? Welche kollektiven Merkmale werden diesen zugeschrieben? Welches Kunst- bzw. Kulturverständnis wird daran deutlich? Auf welcher Weise werden Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen von geflüchteten Menschen thematisiert? Ziel des Forschungsprojekts ist es, Thematisierungsweisen und auch Dethematisierungen sowie Repräsentationen zu Flucht und Migration in der Kulturellen Bildung zu erkennen. Gegenstand der Untersuchungen sind nicht die ästhetischen Praxen und deren Wirkungen, sondern die Verhältnisse von Wissen und Macht im Diskurs der Kulturellen Bildung. Nach dem französischen Philosophen Michel Foucault erzeugt dieser Diskurs zugleich die kulturelle Bildungspraxis, von der er spricht.

Im Zentrum des Forschungsprojekts stehen die bundespolitisch auf den Weg gebrachten Förderprogramme "Kultur macht stark" (KMS) und "Kultur macht stark plus". (KMS+). Diese Programme wurden aus einer rassismuskritischen und diversitätssensiblen Perspektive untersucht. Welches Wissen zu Flucht und Migration - aber auch zu anderen Kategorien wie Geschlecht, Religion, Körper/Behinderung - wird auf welche Weise hergestellt? Aus den insgesamt ca. 14.000 Förderanträgen für den Zeitraum von 2013 bis 2018 wurden 1.275 Anträge als relevantes Diskursmaterial ausgewählt.

KULTUR MACHT ANDERE - Forschungsergebnisse

Im Antragsmaterial zeigt sich, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Kontext von Flucht und Migration als die 'Anderen' konstruiert werden (Othering). Was bedeutet das? Das heißt, dass Sie sowohl über die ihnen zugewiesene Kultur als auch über die damit verknüpften künstlerisch-ästhetischen Praxen zu 'Anderen', und vornehmlich zu 'defizitären Anderen', gemacht werden - eben: KULTUR MACHT ANDERE. Damit wird deutlich, dass Rassismus als ein "die Gesellschaft strukturierendes Ordnungssystem" (Mai 2016, 15) ebenfalls in Kontexten Kultureller Bildung anzutreffen ist, indem stereotypisierende Unterscheidungen in Form von 'Wir' und die 'Anderen' produziert werden. Daraus stellt sich folgende grundsätzliche Frage: Unter welchen Bedingungen kann eine Kulturelle Bildung gelingen, die rassismuskritisch und diversitätssensibel angelegt sowie an gesellschaftlicher Solidarität interessiert ist? Wie kann gleichzeitig das Menschenrecht ihrer Adressat_innen auf Teilhabe und Teilgabe am kulturellen Leben umgesetzt werden?

Kommentierungen von Prof. Dr. Carmen Mörsch und Prof. Dr. Maisha-Maureen Auma

In zwei anschließenden interdisziplinären Vorträgen wurden die Forschungsergebnisse kommentiert.

Prof. Dr. Carmen Mörsch (Kunsthochschule Mainz / Johannes Gutenberg-Universität Mainz) wies in ihrem Beitrag auf "300 Jahre Othering, Paternalismus, Disziplinierung (Integration) und Hybris" hin. Sie zeigte eindrücklich die Kontinuitäten von Kolonialität in der Kulturellen Bildung auf, die in der Aufklärung und philosophischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts ihren Ausgangspunkt nahm. Sowohl hegemoniekritische und intersektionale Perspektiven in Studium und Ausbildung als auch das Wissen minorisierter Akteur_innen in Förderprogramme und Projekte sollten in einer machtreflexiven Kulturellen Bildung von Anfang an eine Rolle spielen. Sie forderte zudem, dass in Institutionen und Förderprogrammen die Personalzusammensetzung dahingehend verändert werden müsse, dass diese minorisierten Akteur_innen in Leitungsfunktionen über die Ressourcenverteilung und Repräsentation bestimmen können.

Prof. Dr. Maisha-Maureen Auma (Hochschule Magdeburg-Stendal und zur Zeit Gastprofessorin an der TU Berlin) legte in ihrer Kommentierung den Fokus auf Konsequenzen und Handlungsempfehlungen. Sie problematisierte sowohl zentrale sprachliche Verständnisweisen als auch das Empowerment- und Partizipationsverständnis der Förderlinien von KMS und KMS+. Abschließend benannte sie drei relevante Ebenen für eine nachhaltige Veränderungsarbeit in der Kulturellen Bildung (strukturell politische Ebene, institutionelle Ebene, Ebene der Initiativen und Projekte / Netzwerkarbeit mit Selbstorganisationen). Dahingegend forderte sie, eine Gesamtstrategie für intersektional-rassismuskritische kulturelle Bildungsangebote im Kontext von Flucht und Migration zu entwickeln.

Facettenreiche Workshops

Zentrale Fragen, Forderungen und Aufgaben, die im Vortrag und in den Kommentierungen formuliert wurden, wurden am folgenden Tag in fünf Workshops aufgegriffen und vertiefend diskutiert. Im 1. Workshop zur "Doxa der Kulturellen Bildung" (Johanna Meiers / Wael Baitamani) standen die Förderlogiken von KMS und KMS+ im Mittelpunkt der Diskussion, während sich der 2. Workshop unter dem Titel "Integration, Sprachförderung und Traumatherapie?" (Marion Gerards / Susanne Bücken) mit der Allzuständigkeit und -verantwortlichkeit (Hybris) im Selbstkonzept der Kulturellen Bildung kritisch auseinandersetzte. Im thematisch offenen 3. Workshop (Norbert Frieters-Reermann / Marion Gerards) ging es um Antragslogiken, um die Notwendigkeit des Einbezugs eines Awareness-Teams bereits bei der Entwicklung von Förderprogammen sowie um die Notwendigkeit von rassismuskritischen und diversitätsreflexiven Schulungen, Weiterbildungen und Coachings für alle im Feld der Kulturellen Bildung aktiven Personen. Einen tagesaktuellen Bezug wies der 4. Workshop (Susanne Bücken / Wael Baitamani) auf, der ausgehend von Tendenzen einer Nationalisierung der Kulturellen Bildung in 'Zeiten von Corona' Rassismuskritik und globale Solidarität statt Grenzziehungen und Ignoranz als Bildungsanliegen der Kulturellen Bildung diskutierte. Parallel dazu beschäftigte sich der 5. Workshop (Marianne Genenger-Stricker / Tobias Tillmann) mit den Gelingens- und Hinderungsfaktoren für die Partizipation geflüchteter Jugendlicher an Kultureller Bildung.

Ein kurzer Ausblick

Die Berücksichtigung rassismuskritischer und diversitätssensibler Perspektiven sind - nicht nur - für die Kulturelle Bildung von außerordentlicher Relevanz, wie die Forschungsergebnisse, Kommentierungen und Diskussionen in den Workshops deutlich gemacht haben. Das Interesse an den Forschungsergebnissen seitens des BMBF und der verantwortlichen Akteur_innen der Kulturellen Bildung ist erfreulich und lässt auf Veränderungen hoffen. Das Team steht für Nach- und Anfragen selbstverständlich zur Verfügung.

Forschungsteam

  • Susanne Bücken und Johanna Meiers, wissenschaftliche Mitarbeit
  • Wael Baitamani und Julia Breidung, studentische Mitarbeit
  • Simone Hieronymus, Tagungsmanagement
  • Marion Gerards und Norbert Frieters-Reermann, Projektleitung

Kontakt: m.gerards@katho-nrw.de

Forschungsprojekt

"Flucht - Diversität - Kulturelle Bildung. Rassimuskritische und diversitätssensible Diskursanalyse kultureller Bildungsangebote im Kontext von Flucht und Migration" (FluDiKuBi)

  • Laufzeit: November 2016 bis Juni 2020
  • Förderprogramm: "Forschungsvorhaben zur Kulturellen Bildung"
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 01JK1612)

Das Transfernetzwerk Soziale Innovation - s_inn ist ein Verbundprojekt der Katholischen Hochschule NRW und der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe. Seit Anfang 2018 wird s_inn über insgesamt fünf Jahre im Rahmen der Initiative "Innovative Hochschule" gefördert. Das Ziel der Förderinitiative liegt darin, den forschungsbasierten Ideen-, Wissens- und Technologietransfer voranzutreiben. Das Transfernetzwerk s_inn möchte sich als zentraler Akteur von sozialer Innovation in Nordrhein-Westfalen etablieren. Aus 118 Bewerbungen werden insgesamt 19 Einzel- und Verbundvorhaben gefördert. Eine Übersicht finden Sie auf der Webseite der Innovativen Hochschule.

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