Das Thema Nachhaltigkeit nimmt bei Geschäftsreisen Fahrt auf
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Das Thema Nachhaltigkeit nimmt bei Geschäftsreisen Fahrt auf
E-Networking zum Carbon Footprint in der Geschäftsreisewelt – Nur 3 von 10 Firmen haben Corporate Travel-Nachhaltigkeitsprogramm – Lässt Mobilitätsbudget Geschäftsreisen grüner werden? – Geschäftsreise-Expertin fordert neues Geschäftsmodell
Frankfurt, 15. Juni 2022 – Die Reiseindustrie ist aufgewacht. War Nachhaltigkeit vor der Pandemie für die Geschäftsreisewelt eher ein Randthema, gerät jetzt der Carbon Footprint bei vielen Unternehmen in den Fokus. Die Bemühungen, den ökologischen Fußabdruck zu ermitteln und zu verringern, verändern die Geschäftsreise. Das ist das Ergebnis des eWorkshops „Carbon Footprint“ des Travel Industry Club (TIC).
Dass ein derartiger Wandel dringend erforderlich ist, belegt Professor Dr. Felix Kempf, Dekan Tourismus & Hospitality der IST-Hochschule für Management, mit eindrucksvollen Zahlen. „Jeder einzelne von uns verbraucht zu viel CO 2“, betont er, und je reicher eine Gesellschaft sei, desto rapider steige der Verbrauch. Während dieser in Indien pro Person und Jahr bei durchschnittlich 1.900 Tonnen liegt und der weltweite Durchschnitt 4.900 Tonnen beträgt, verbrauchen deutsche Bürger 11.600 Tonnen. Um die Klimaziele zu erreichen, dürfen pro Kopf und Jahr nur 2,5 Tonnen CO 2 verbraucht werden. Die Kosten für diesen Missbrauch tragen die nächsten Generationen, denn „die BWL-Denke“ (Kempf) sorgt dafür, dass Gewinne privatisiert und Verluste - in diesem Fall also die tatsächlichen Kosten des CO 2 -Verbrauchs - vergemeinschaftet werden. In jedem Unternehmen müssten „künftig zwei Geschichten geschrieben werden“, fordert Kempf: eine zum Firmenerfolg und die zweite über den Nachhaltigkeitserfolg.
Davon sind deutsche Firmen noch weit entfernt: nur 3 von 10 haben ein Nachhaltigkeits-Programm, das Corporate Travel beinhaltet. „Bis dato sind kaum Tools und Maßnahmen in den Unternehmen im Einsatz, um die Geschäftsreise klimaneutraler zu gestalten“, betont Thomas Drexler, Managing Partner der Travel Consulting Group. Mehr als ein Hoffnungsschimmer ist die Initiative VDR NxT des Verbands Deutsches Reisemanagement mit vier Stoßrichtungen. Erstens müssen Standards entwickelt werden, um den CO 2-Footprint im Corporate Travel eines Unternehmens mit Hilfe belastbarer Daten zu ermitteln. Zweitens muss das Thema nachhaltige Unternehmensmobilität nicht nur zur Chefsache avancieren, sondern auch im Bewusstsein und Wissen jedes Einzelnen im Unternehmen verankert werden. Der dritte Stepp ist, die heute schon verfügbaren Produkte und Lösungen besser zu nutzen: Ohne entsprechende Angebote von der Buchung bis zur Abrechnung, von der An- bis zur Abreise können Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden. Letztlich muss auch die Frage geklärt werden, ob die Reiserichtlinie überhaupt noch ein geeignetes Instrument ist oder ob nicht ein Mobilitätsbudget dazu beitragen kann, Geschäftsreisen grüner werden zu lassen.
Drexler gibt den Rat, „sich dem Thema nicht überkomplex zu nähern“, sondern mit einfachen Ansätzen. So müsse stets die Frage geklärt werden, ob Dienstreisen überhaupt durchgeführt werden müssen. Falls doch, müssen Geschäftsreisen mit niedrigen CO 2-Emissionen gefördert werden - zum Beispiel Reisen mit der Bahn.
Die Deutsche Bahn, die ohnehin schon mit dem weitaus besten Footprint im Transport-Sektor werben kann, verbessert ihr Angebot für Geschäftsreisende. Jan-Wolf Baake, Leiter des DB-Vertriebs Geschäftskunden („Es ist eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf“), verweist auf optimierte Lounges mit komfortablen Workingspaces in derzeit fünf Bahnhöfen, ein sechster Standort kommt bald hinzu und weitere sind in Planung. Neben der vielgenutzten 1. Klasse-BahnCard100 empfiehlt der Bahnexperte das DB Mobilitätsbudget Bonvoyo als „einfache, nachhaltige und flexible Lösung“ zur Reduktion der CO 2-Emissionen „durch Nutzung nachhaltiger Alternativen zum Firmenwagen“ (DB-Werbung).
Neue Geschäftsmodelle für Reisemanagement-Firmen fordert Martina Eggler, Chef Marketing Officer von ATG Travel Worldwide. Bei der üblichen Honorierung verkaufter Reise-arrangement schaden sich Firmen selbst, wenn sie Kunden nachhaltig beraten und somit zur Reduzierung von Geschäftsreisen beitragen. Künftig müsse der Fokus auf die Messbarkeit der tatsächlichen Einsparungspotenziale gelegt werden. „Das Bewusstsein der Kunden ist da“, macht Martina Eggler Hoffnung auf entsprechende Änderungen im Geschäftsreisebereich.
Auch Mietwagenfirmen erfüllen längst viele Anforderungen, die eine drastische Reduzierung des Corbon Footprints mit sich bringt. Jörg Hilbig, Operations Direktor Germany der Hertz Autovermietung spricht von „großer Verantwortung“, der Mietwagenfirmen mit der konsequenten Umstellung auf Eletro-Fahrzeuge gerecht werden. Im Alltag muss ein solches Unternehmen den Geschäftsreisekunden viele Ängste nehmen – z.B. bei den Themen Reichweite oder Ladeinfrastruktur.
Der 2005 gegründete Travel Industry Club TIC ist der Wirtschaftsclub der Geschäfts- und Privatreiseindustrie, im dem sich Macher, Beweger und Nachwuchsführungskräfte treffen. Es werden komplexe Zukunftsthemen erörtert und Ideen entwickelt – und das auch mit dem Blick über den touristischen Tellerrand hinaus. Mit seiner Arbeit rückt der TIC auch die wirtschaftliche Bedeutung der Reiseindustrie stärker ins Licht der Öffentlichkeit. Er bringt mit dem Young TIC den Nachwuchs mit den führenden Akteuren der Branche zusammen. Rund 550 Mitglieder profitieren von Veranstaltungen verschiedener Formate sowie von touristischer Trendforschung und haben die Möglichkeit Teil des Think Tank der Reiseindustrie zu werden. Das 9-köpfige Präsidium - bestehend aus Unternehmenslenkern, Beratern und Professoren - arbeitet ehrenamtlich im Sinne der Tourismus-Förderung.
Ihr Kontakt für Rückfragen: Dr. Adrian von Dörnberg dr.adrian-v-doernberg@web.de