Technische Universität München
Hoffnung auf Silicium-Solarzellen mit deutlich höheren Wirkungsgraden: Neuer Syntheseweg zu löslichen Silicium-Clustern
TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Corporate Communications Center
Tel.: +49 89 289 10510 - E-Mail: presse@tum.de
Dieser Text im Web: https://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/details/35779/
Bildmaterial in hoher Auflösung: https://mediatum.ub.tum.de/1523937
PRESSEMITTEILUNG
Neuer Syntheseweg zu löslichen Silicium-Clustern
Hoffnung auf Silicium-Solarzellen mit deutlich höheren Wirkungsgraden
Theoretische Rechnungen zeigen, dass Silicium-Solarzellen unter bestimmten Bedingungen einen wesentlich höheren Wirkungsgrad haben könnten. Ein Zugang zu entsprechend modifiziertem Silicium könnten kleine Silicium-Cluster sein. Bisher waren diese jedoch nicht in löslicher Form zugänglich, was Voraussetzung für eine vielseitige Verarbeitung ist. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben nun einen einfachen Syntheseweg dafür entdeckt.
Die weltbesten Silicium-Solarzellen besitzen derzeit einen Wirkungsgrad von 24 Prozent. Die theoretische Grenze liegt bei rund 29 Prozent. "Das liegt daran", erläutert Thomas Fässler, Professor für Anorganische Chemie mit Schwerpunkt Neue Materialien an der TU München, "dass das in der Diamantstruktur kristallisierende Silicium nur eine indirekte Bandlücke nutzen kann."
Forscher träumen daher von Materialien in denen die Silicium-Atome so angeordnet sind, dass eine direkte Bandlücke entsteht, die sie für die solare Energieproduktion nutzen können. Als Modellverbindungen dafür sieht die Wissenschaft kleine Silicium-Cluster an. Hier lassen sich die Atome anders anordnen als im kristallinen Silicium.
"Solche Verbindungen sind auch für eine Vielzahl weiterer chemischer Experimente interessant", sagt Professor Fässler. Gezielt können wir derzeit in wenigen Syntheseschritten vier und neun Silicium-Atome zu Tetraedern beziehungsweise einer fast kugelförmigen Struktur zusammenfügen. Die Synthesen und die Isolierung der Atomcluster waren bisher aber sehr aufwändig. Hier sind wir nun einen entscheidenden Schritt vorangekommen."
Eine Traube aus neun Silicium-Atomen
Beim Zusammenschmelzen von Kalium und Silicium entsteht eine Verbindung aus 12 Kalium- und 17 Silicium-Atomen, ein graues Pulver. Mit einem Trick gelang es nun Erstautor Lorenz Schiegerl in flüssigem Ammoniak die löslichen, neunatomigen Cluster zu stabilisieren: Zum Ammoniak gab er ein organisches Molekül hinzu, das die Kalium-Atome einschließt.
"Diese einfache Synthese öffnet uns, ausgehend von elementarem Silicium, den Weg zu vielfältigen chemischen Experimenten mit diesen Clustern", sagt Professor Fässler. "Im Lösungsmittel Pyridin wird der Cluster beispielsweise durch zwei Wasserstoff-Atome stabilisiert, ähnlich den vermuteten Zwischenstufen bei der großtechnischen Herstellung von polykristallinem Silicium, das unter Einsatz von Silanen oder Chlorsilanen für kommerziell verfügbare Solarzellenmodule hergestellt wird."
Aufbau neuer Strukturen
Besonders vielversprechend ist ein weiterer Reaktionsweg zu Verbindungen des Silicium-Clusters, bei denen drei der neun Silicium-Atome sich mit Molekülen verbinden, die wiederum Silicium oder beispielsweise auch Kohlenstoff oder Zinn enthalten. In den rotbraun gefärbten Lösungen liegen die zurzeit siliciumreichsten, bekannten Cluster vor. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten Silicium mit modifizierten Strukturen aus Lösung abzuscheiden.
"Denkt man diesen Weg weiter, sollten auch Kopplungen der Cluster möglich sein, um größere Silicium-Strukturen aufzubauen. Damit kämen wir den Wünschen der Theoretiker schon sehr nahe", sagt Professor Fässler. "Auf jeden Fall haben wir hier die Tür zu einer faszinierenden neuen Chemie aufgestoßen."
Publikationen:
Silicon Clusters with Six and Seven Unsubstituted Vertices via a Two-step Reaction from Elemental Silicon
L. J. Schiegerl, A. J. Karttunen, W. Klein, T. F. Fässler
Chemical Science, 2019, 10, 9130 - 9139 - DOI: 10.1039/C9SC03324F
https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2019/sc/c9sc03324f
Charged Si9 Clusters in Neat Solids and the Detection of [H2Si9]2- in Solution - A Combined NMR, Raman, Mass Spectrometric, and Quantum Chemical Investigation
L. J. Schiegerl, A. J. Karttunen, J. Tillmann, S. Geier, G. Raudaschl-Sieber, M. Waibel, T. F. Fässler
Angew. Chem. Int. Ed. 2018, 57, 12950 -12955 - DOI: 10.1002/ange.201804756
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.201804756
Mehr Informationen:
Das Projekt wurde von der der WACKER Chemie AG im Rahmen des "WACKER-Instituts für Siliciumchemie" an der TUM, dem Bayerischen Forschungsverbund "Solar Technologies Go Hybrid" und der Academy of Finland gefördert. Die Elektronenstrukturrechnungen führte Prof. Dr. Karttunen, Aalto Universität, Helsinki (Finnland) am finnischen IT Center for Science (CSC) durch.
Bilder in hoher Auflösung:
https://mediatum.ub.tum.de/1523937
Kontakt:
Prof. Dr. Thomas F. Fässler
Technische Universität München
Professur für Anorganische Chemie mit Schwerpunkt Neue Materialien
Lichtenbergstr. 4, 85748 Garching
Tel.: +49 89 289 13131
E-Mail: thomas.faessler@lrz.tum.de
Web: https://www.department.ch.tum.de/acnm/willkommen/
Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 550 Professorinnen und Professoren, 42.000 Studierenden sowie 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands. www.tum.de