Wenn Politik gefährlich wird
Präventionsnetzwerk #sicherimDienst gibt Hilfestellungen zum Umgang mit Hass und Hetze gegen Mandatsträger
Düsseldorf / Münster (ots)
Am Dienstag (28.03.) verfolgten erneut zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer die Online-Veranstaltung "DIE SICHERE STUNDE". Auf Einladung des Präventionsnetzwerks #sicherimDienst begrüßte Moderator und Leiter der Koordinierungsgruppe Andre Niewöhner Politikerinnen und Politiker sowie Experten aus den Bereichen Gewaltprävention und Wissenschaft im Medienstudio der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. In der Gesprächsrunde wurden Herausforderungen und Lösungsansätze für mehr Schutz und Sicherheit von Politikerinnen und Politikern erörtert und konkrete Handlungsempfehlungen zur Vorsorge, zum Umgang mit Gewalt und zur Nachsorge vorgestellt. Zuschauerinnen und Zuschauer konnten sich mit ihren Fragen beteiligen.
Alexandra Schoo ist Abgeordnete im Kreistag von Steinfurt. Das Ehrenamt mache ihr Spaß und sie übernehme gerne Verantwortung für ihre Region. Dennoch habe auch sie bereits Beschimpfungen und Beleidigungen erlebt. "Hier im ländlichen Raum kennt jeder jeden. Wenn bei Anfeindungen und Pöbeleien auch die eigene Familie und die Kinder mit hineingezogen werden, steht man vor besonderen emotionalen Herausforderungen, die hinderlich sein können, kommunale Ehrenämter zu übernehmen", berichtete Schoo.
Kirsten Eberspach kann dies als Projektleiterin in einer aktuellen bundesweiten Studie des Bundeskriminalamtes und der Kommunalen Spitzenverbände zu Hass und Gewalt gegen Amtsträgerinnen und Amtsträgern bestätigen. Mehr als jeder Dritte der Befragten habe in den letzten sechs Monaten Anfeindungen erlebt, mehr als jeder Zehnte habe bereits eine Amtsniederlegung erwogen oder tritt bei einer Neuwahl nicht erneut an. Obwohl die Mehrzahl der Amtspersonen darunter leide, sei die Anzeigebereitschaft niedrig. Nur etwa jeder zehnte Betroffene mache die Vorfälle bekannt. "Die Anfeindungen beziehen sich zum Großteil auf die Person und die Persönlichkeit der Amtstragenden selbst", sagte Eberspach. "Auch Familienangehörige werden mithineingezogen. Das wirkt sich dann nochmal deutlich auf die persönliche Betroffenheit aus", so Eberspach weiter.
Erik Lierenfeld ist bereits in seiner zweiten Amtszeit Bürgermeister der Stadt Dormagen. Er wurde aus der Querdenker-Szene massiv bedroht, als er sich im Zuge der Pandemie für das Tragen von Gesichtsmasken ausgesprochen hatte. Häufig treffe die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger über politische Entscheidungen nicht nur ihn, sondern entlade sich auch an den Beschäftigten der Stadtverwaltung. "Es ist ein schmaler Grat zwischen gewünschter Bürgernähe und der potentiellen Gefahr, die davon ausgehen kann", so Lierenfeld.
Die Vorsitzende des Innenausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags, Angela Erwin MdL, vertrat in der Gesprächsrunde die Perspektive der Landespolitik. Auch auf höherer Ebene habe man sich der Problematik angenommen, erläuterte Erwin. Die Arbeit des Präventionsnetzwerkes und der Informations- und Aufklärungskampagne von #sicherimDienst lobt Erwin dabei sehr. Ihrer Auffassung nach sollten nun auch Anstrengungen zum konkreten Schutz von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern erfolgen. Hass und Hetze lassen sich nur durch entschlossenes Entgegenwirken eindämmen und zurückdrängen.
Joachim Eschemann ist Leiter der Sicherheitskooperation Ruhr, die unter anderem Seminare zum Thema Bedrohungsmanagement anbietet. Er erläuterte anhand von konkreten Beispielen, welche Vorkehrungen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger bereits im Vorfeld treffen können, um Gefahren zu minimieren. Wichtig in diesem Zusammenhang sei die Verzahnung zwischen Behörden und Kommunen, so Eschemann. Da nahezu alle Bereiche des öffentlichen Dienstes von Gewalt betroffen seien, müssten gemeinsame Strukturen geschaffen werden, die eine Zusammenarbeit und Absprache diesbezüglich ermöglichen.
Als Politikwissenschaftler am Deutschen Forum für Kriminalprävention sieht Marcus Kober in Bezug auf die Vernetzung bereits Fortschritte. "In den letzten Jahren hat sich einiges getan. Neben behördlichen Angeboten wie #sicherimDienst gibt es zudem eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Angeboten, die demokratisches Engagement fördern und unterstützen. Betroffene finden dort neben umfangreichen Informationen auch präventive Hilfe und Beratung, zum Beispiel beim Umgang mit Hass-Kommentaren im Internet", erläutert Kober.
Die Veranstaltungsreihe "DIE SICHERE STUNDE" wird fortgesetzt. Die nächsten Termine werden rechtzeitig auch auf der Internetseite www.sicherimdienst.nrw bekanntgegeben.
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