Großer Vertrauensverlust in die Gesundheitspolitik
Stuttgart (ots)
Forsa-Umfrage: Fast zwei Drittel aller Befragten zweifeln an der Kompetenz der Gesundheitspolitik in Deutschland. Das Vertrauen der Gesellschaft ist seit 2020 um die Hälfte gesunken.
Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung zeigt, dass das Vertrauen der Bürger:innen in die deutsche Gesundheitspolitik gesunken ist. Fast 60 Prozent der Befragten geben an, wenig oder sogar kein Vertrauen mehr in die Fähigkeit der Politik zu haben, für eine hochwertige und zugleich bezahlbare Gesundheitsversorgung zu sorgen. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2020 (30 Prozent). Rund 40 Prozent der Befragten sind zudem der Meinung, dass sich die gesundheitliche und medizinische Versorgung bei ihnen vor Ort im vergangenen Jahr insgesamt verschlechtert hat. Bei Teilnehmenden mit chronischen Erkrankungen ist dieses Empfinden noch verbreiteter (46 Prozent).
Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Bosch Health Campus: "Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass wir dringend handeln und unser Gesundheitssystem konsequent am Patientenwohl ausrichten müssen, damit es zukunftsfähig bleibt. Der Zugang für alle zu einer bezahlbaren und qualitativen Gesundheitsversorgung auch auf lange Sicht muss gewährleistet sein - hierfür ist es wichtig, dass die Politik die Bürger:innen aktiv bei Entscheidungen mit einbezieht."
Zentrale Inhalte der Forsa-Untersuchung sind unter anderem das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitspolitik, die Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf das Gesundheitssystem der Zukunft sowie die Bewertung der bisherigen Gesundheitspolitik der Ampel-Koalition.
Primäre Gesundheitsversorgung neu gestalten
So wünschen sich viele Menschen eine bessere gesundheitliche Versorgung im eigenen Umfeld. Wichtig oder sehr wichtig sind den Befragten wohnortnahe medizinische Anlaufstellen (84 Prozent) sowie schnelle Termine (98 Prozent). Außerdem möchten die meisten von ihnen mehr Zeit mit Ärzt:innen und Gesundheitsfachkräften verbringen (98 Prozent), um beispielsweise gemeinsame Entscheidungen für Therapien oder Medikamente zu treffen (91 Prozent). Insbesondere chronisch kranke Patient:innen, Menschen in kleinen und mittleren Städten (bis 100.000 Einwohner:innen) und über 60-Jährige messen diesen Aspekten eine große Bedeutung bei.
"Das Robert Bosch Center for Innovative Health als Teil des Bosch Health Campus hat bereits in den letzten Jahren Handlungsempfehlungen und Lösungsvorschläge für ein besseres Gesundheitssystem auf den Weg gebracht. Hierbei geht es um die flächendeckende Einrichtung von Patientenorientierten Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung (PORT) sowie generell um die Verbesserung von Versorgungsprozessen und die Stärkung von Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger", so Alscher weiter.
In Pflegepersonal investieren und Gesundheitskompetenz stärken
Bei der Frage, welche Aspekte das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfähig machen, stimmen viele Bürger:innen zu, dass die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal verbessert werden müssen, etwa durch bessere Bezahlung oder Arbeitszeiten (97 Prozent). Dass Pflegekräfte zudem mehr Verantwortung übernehmen dürfen, war 76 Prozent der Befragten wichtig oder sehr wichtig. Viele sehen dabei die Notwendigkeit, in die Ausbildung von medizinischem Personal und Pflegepersonal zu investieren (63 Prozent) und den Pflegeberuf auch durch Akademisierung schrittweise zu stärken (57 Prozent).
Alscher bringt an diesem Punkt das Konzept des Community Health Nursing ins Gespräch, dessen Einführung bereits im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt wurde: "Nach dem Vorbild anderer Länder wie Kanada oder Skandinavien werden pflegerische Ansprechpersonen ausgebildet, die akademisch qualifiziert sind und für den Einsatz in der primären Gesundheitsversorgung im urbanen und ländlichen Raum vorbereitet werden. Dort stehen die sogenannten Community Health Nurses für Gesundheitsfragen aller Art bereit und unterstützen Menschen jeglichen Alters bei der Bewältigung des Alltags mit Erkrankungen und helfen, die zunehmenden Versorgungslücken auch im ärztlichen Bereich aufzufangen."
Dr. Wünning Tschol, die Leiterin des Robert Bosch Centers for Innovative Health sagt: "Möglichst viele Menschen sollten die Chance bekommen, selbst Verantwortung für die Erhaltung ihrer eigenen Gesundheit zu übernehmen. Ein leichter Zugang zu evidenzbasierten Gesundheitsinformationen ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Große Chancen dafür liegen in der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz."
Hintergrund zur Umfrage
Für die repräsentative Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa vom 25. Januar bis 10. Februar 2023 bundesweit insgesamt 1.850 Personen ab 18 Jahren befragt. Die Erhebung im Auftrag des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung bildet den Abschluss der Initiative "Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen". Für die Initiative hat Forsa bereits im Mai 2020 eine erste Umfrage durchgeführt. Im Rahmen von Neustart! hat die Robert Bosch Stiftung über drei Jahre zusammen mit Bürger:innen und Expert:innen Vorschläge für eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems erarbeitet. Diese Arbeit führt heute das Robert Bosch Center for Innovative Health am Bosch Health Campus fort. Im Fokus stehen dort zwei Innovationsschwerpunkte: Patient Journey in a Digital World / Patientenwege in einer digitalen Welt und Health Literacy for People and Organizations / Gesundheitskompetenz für Menschen und Organisationen.
Der Bosch Health Campus
Der Bosch Health Campus vereint alle Institutionen und Förderaktivitäten der Robert Bosch Stiftung im Bereich Gesundheit mit den vier Schwerpunkten Behandeln, Forschen, Bilden und Fördern. Mit seinen interdisziplinär vernetzten Einrichtungen und mehr als 3000 Mitarbeitenden steht der Bosch Health Campus für eine innovative und patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Zum Bosch Health Campus gehören neben dem Robert Bosch Center for Innovative Health auch das Robert-Bosch-Krankenhaus, das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie, das Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen, die Professur zur Erforschung komplementärmedizinischer Verfahren, das Institut für Geschichte der Medizin sowie das Irmgard-Bosch-Bildungszentrum.
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