Economic Research EPoS - Universitäten Bonn und Mannheim
Arbeitslosigkeit steigt durch großzügige Sozialleistungen in Deutschland
Bonn, Mannheim (ots)
+++EPoS Economic Research Center analysiert Sozialversicherungsdaten+++
Wechselwirkungen zwischen großzügigen Arbeitslosen- und Rentenleistungen können zu höherer Arbeitslosigkeit führen - das gilt besonders bei älteren Arbeitnehmern, die kurz vor dem Ruhestand stehen. Der Grund: In Kombination schaffen beide Systeme einen Anreiz, die "Brücke zum Ruhestand" zu bauen. Dies ist ein zentrales Ergebnis aus dem Diskussionspapiers "When Institutions Interact: How the Effects of Unemployment Insurance are Shaped by Retirement Policies" vom EPoS Economic Research Center der Universitäten Bonn und Mannheim.
Die Sorge über die Nachhaltigkeit des Rentensystems wächst. "Bei einer Reform der Ruhestandsregelungen sollten sich die Verantwortlichen der Wechselwirkungen mit der Arbeitslosenversicherung bewusst sein", sagt Han Ye vom EPoS Economic Research Center. "Das Rentensystem im Zusammenspiel mit der Arbeitslosenversicherung beeinflusst ältere Arbeitnehmer vor Eintritt in den Ruhestand: Dadurch wird es mehr oder weniger attraktiv, sich bis zum Renteineintritt arbeitslos zu melden, um so eine 'Brücke in den Ruhestand' zu bauen."
Mehr als 50% der Arbeitslosenleistungen für ältere Arbeitnehmer
Die Analyse deutscher Sozialversicherungsdaten zwischen 1975 und 2017 zeigt eine Besonderheit bei der Arbeitslosenquote älterer Arbeitnehmer: Mitte der neunziger Jahre stieg die Arbeitslosenquote älterer Arbeitnehmer - anders als bei den jüngeren Beschäftigten - rapide an. In der Spitze wurde mehr als die Hälfte der westdeutschen Leistungen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung an ältere Arbeitnehmer im Alter zwischen 55 und 64 ausgezahlt. In anderen Ländern, etwa in den USA, entwickelte sich die Unterstützung für die verschiedenen Altersgruppen dagegen im selben Zeitraum weitgehend parallel.
Verschiedenen Sozialleistungen beeinflussen sich gegenseitig
Die Autoren zeigen, dass dieser Trend in Deutschland durch die Kombination zweier Effekte - die Verlängerung der Arbeitslosenversicherung und das spezielle Rentensystem - erklärt werden kann: Die Untersuchung ergibt, dass der starke Anstieg beim Bezug von Arbeitslosenunterstützung genau dann erfolgt, wenn nach Ablauf der Leistungen die Beantragung der Rente möglich ist. Die Verlängerung der Bezugsdauer für die Arbeitslosenversicherung hatte anschließend zur Folge, dass zusätzlich Arbeitnehmer in einer jüngeren Altersgruppe die Bezüge in Anspruch nahmen, die dann nach Auslaufen der Leistungen in Rente gingen.
Die Analyse der Ökonomen ergibt, dass eine großzügige Rentenpolitik die Auswirkungen einer ansonsten identischen Verlängerung der Bezugsdauer für die Arbeitslosenversicherung beeinflussen kann. Zum Beispiel erhöht eine Verlängerung der potenziellen Leistungsdauer um 12 Monate die Arbeitslosenquote älterer Arbeitnehmer um weniger als 1 Prozentpunkt unter den 2014 eingeführten und heute noch weitgehend gültigen Rentenregelungen. Bei Wiedereinführung großzügigerer Ruhestandsregelungen hätte dieselbe 12-monatige Verlängerung die Arbeitslosigkeit jedoch um mehr als das Dreifache auf fast 3 Prozentpunkte ansteigen lassen.
"Änderungen innerhalb der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems spielen eine bislang unterschätzte Rolle beim deutschen 'Arbeitsmarktwunder' nach 2005, als die deutsche Arbeitslosenquote von rund 12 auf 5 Prozent fiel", sagt Han Ye. "Mit Blick auf künftige Reformen sollte die Politik die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen sozialen Sicherungssystemen berücksichtigen."
Das vorgestellte Diskussionspapier ist eine Publikation des Sonderforschungsbereichs (SFB) Transregio 224 EPoS. Die vollständige Studie finden Sie hier: https://www.crctr224.de/research/discussion-papers/archive/dp481
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Die Autoren
Matthew Gudgeon, Assistant Professor in Economics,Tufts University
Pablo Guzman-Pinto, Volkswirt, Amazon
Johannes F. Schmieder, Professor für Volkswirtschaftslehre, Boston University
Simon Trenkle, Research Associate, Ph.D. Economics, IZA, IAB
Han Ye, Juniorprofessorin für Volkswirtschaftslehre, Universität Mannheim und Mitglied des EPoS Economic Research Center
Der Sonderforschungsbereich Transregio 224 EPoS
Der 2018 eingerichtete Sonderforschungsbereich Transregio 224 EPoS, eine Kooperation der Universität Bonn und der Universität Mannheim, ist eine langfristig angelegte Forschungseinrichtung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. EPoS befasst sich mit drei zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen: Wie kann Chancengleichheit gefördert werden? Wie können Märkte angesichts der Internationalisierung und Digitalisierung der Wirtschaftstätigkeit reguliert werden? Und wie kann die Stabilität des Finanzsystems gesichert werden?
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