Deutschlands Betriebsräte erwarten mehr Mitbestimmung
Ergebnisse des 20. Deutschen Betriebsrätetags vom 7. bis 9. November 2023
Bonn (ots)
Die deutschen Betriebsräte erwarten von der Politik und den Unternehmen eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Mitbestimmung. Dies ist die politische Essenz des dreitägigen Deutschen Betriebsrätetages, der am Donnerstag in Bonn zu Ende ging. Wichtigster Gast war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der den rund 1.000 Betriebsräten mehrere Gesetzesinitiativen versprach, unter anderem eine Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes noch in der laufenden Legislaturperiode. Neben fast allen Teilnehmern unterzeichnete auch er ein Banner mit der Aufschrift "Mehr Mitbestimmung wagen".
Scholz hatte zuvor in einer Rede und einer anschließenden ausführlichen Fragerunde die Bedeutung der Arbeitnehmervertretungen unterstrichen: "Betriebsräte sind Stabilitätsanker in den Betrieben". Ihr Wert nehme in Zeiten des Wandels hin zur klimaneutralen Wirtschaft weiter zu. Es werde jeden Tag weitreichende Entscheidungen geben, an denen Betriebsräte zu beteiligen seien. "Wir brauchen ein Demokratieverständnis, in dem die Mitbestimmung ein zentraler Bestandteil ist", sagte Scholz. Geplant sei nicht nur die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. Lösungen seien auch für die entstandene Vergütungsproblematik der Betriebsräte in Arbeit sowie dafür, dass die Behinderung von Betriebsratsarbeit auch ohne Strafantrag verfolgt werden könne.
Zunehmende Verantwortung
Sowohl der Bundeskanzler wie auch die Vorsitzende des Vorstands der Bundesanstalt für Arbeit (BA) hatten zuvor auf die zunehmende Verantwortung der Betriebsräte zur Reduzierung des Fachkräftemangels hingewiesen. Betriebsräte seien wichtige Begleiter der Transformation, erklärte Nahles. Viele würden unermüdlich für die Qualifikation und Fortbildung der Arbeitnehmer werben. Nahles wörtlich: "Bevor wir über Zuwanderung sprechen, müssen wir unser eigenes Potenzial nutzen." Auch Scholz appellierte an die Betriebsräte, dem Mangel an Fachkräften ein Stück weit gegenzusteuern, indem sie Beschäftigte identifizieren, die zur Qualifikation fähig und bereit seien. "Schauen Sie sich in der eigenen Firma um", plädierte er.
In einem Video-Grußwort hatte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), zuvor erklärt, Betriebsräte seien "Grundpfeiler der Demokratie". Sie würden gerade jetzt gebraucht, nicht zuletzt, um entschieden gegen Populismus und soziale Spaltung vorzugehen. Die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne), früher selbst Betriebsrätin, lobte den Deutschen Betriebsrätetag als "einzigartiges Forum zur Vernetzung der Arbeitnehmer-Vertretungen". Betriebsräte seien "SuperHeldInnen" im Unternehmen; sie "tragen große Verantwortung für den Betrieb, die Wirtschaft und die Demokratie".
Offene Themen
Allerdings wiesen viele Betriebsräte darauf hin, dass es immer wieder Probleme bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gebe. Besonders deutlich komme das bei Unternehmen zum Ausdruck, die global tätig seien; hier könne es passieren, dass Mitbestimmung ausgehebelt werde. Es fehle außerdem an frühen Einflussmöglichkeiten auf die strategische Personalplanung und an Mitsprache in Sachen Digitalisierung. Die Betriebsräte wünschen sich zudem eine bessere Unterstützung ihrer Tätigkeit durch Politik und Rechtsprechung.
Bei der dreitägigen Konferenz, die traditionell im World Conference Center in Bonn stattfindet, kamen aber auch wirtschaftliche und technologische Herausforderungen zur Sprache. Viele Betriebsräte haben Sorgen wegen der Auswirkungen von "künstlicher Intelligenz" (KI) insbesondere auf niedrigere Lohngruppen. Bundeskanzler Scholz erklärte dazu:: "Wenn wir vorne dabei sind, ist das besser, als nachzuhängen. Das Schlimmste wäre: Es gibt KI, aber keine aus Deutschland." Scholz appellierte an die Betriebsräte, nicht zuerst an Arbeitsplatzabbau zu denken, aber sich auch nichts vorzumachen: "Unsere Unternehmen müssen KI können". Deswegen sei die Qualifizierung im Betrieb besonders wichtig. Scholz kündigte aber auch ein Bundesgesetz zu diesem Thema an: "Wir werden KI gesetzlich regeln, sodass wir gute KI von schlechter KI abgrenzen".
Prämierte Praxisbeispiele
Zentraler Bestandteil des Deutschen Betriebsrätetages war auch in diesem Jahr die Vorstellung und Diskussion von zwölf herausragenden Praxisbeispielen, die zuvor aus zahlreichen Vorschlägen ausgewählt wurden. Nominiert waren die Betriebsräte der Unternehmen ArianeGoup, Commerzbank, Essity Operations, Gerolsteiner Brunnen, Ineos Solvents, KBF gGmbH, Klinikum Aschaffenburg/Alzenau, K+S Minerals und Agriculture, Siemens AG, Unilever, Wipak Walsrode und ZF Friedrichshafen.
Prämiert wurden die Projekte bei der abschließenden Verleihung des Deutschen Betriebsrätepreises durch den BUND-Verlag. Der Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb" und wurde zum 15. Mal vergeben. Preiswürdig sind Mitbestimmungs-Initiativen, die beispielsweise zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, zum Erhalt von Arbeitsplätzen oder zur Bewältigung von Krisen im Betrieb führen oder geführt haben. Schirmherr des Preises ist Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
Der Betriebsrat der Unilever Deutschland GmbH, Heilbronn, erhielt den Deutschen Betriebsräte-Preis 2023 in Gold. Das Gremium kämpfe erfolgreich für den Erhalt des KNORR-Werkes, sicherte so über 600 Arbeitsplätze und ermöglichte zudem den Ausbau des Standorts zur europäischen Grundlastfabrik. Die Silber-Trophäe verlieh die neunköpfige Jury dem Betriebsrat der ZF Friedrichshafen AG, Ahrweiler. Nach der Hochwasserkatastrophe 2021 wehrte sich das Gremium gegen eine Standortverlagerung und vereinbarte einen Neubau im nahe gelegenen Brohltal. Der Betriebsrat der K+S Minerals und Agriculture GmbH, Werk Werra, Philippsthal, wurde mit der Auszeichnung in Bronze geehrt. Mit dem Projekt "Zukunftssicherung 2060" wendete er eine Schließung des Werks ab und erzielte zudem eine nachhaltige Laufzeitverlängerung.
Den von den Teilnehmern des Deutschen Betriebsrätetags verliehenen Publikumspreis hatte zuvor der Betriebsrat der ZF Friedrichshafen AG, Ahrweiler, gewonnen, der damit doppelter Preisträger des Jahres 2023 ist.
Hintergrund
Der Deutsche Betriebsrätetag, der in diesem Jahr 20. Jubiläum feierte, ist eine unabhängige Konferenz, in der sich Betriebsräte von Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen über aktuelle Entwicklungen informieren und darüber debattieren. Der Kongress, auf dem jährlich der Deutsche Betriebsräte Preis verliehen wird, soll Mut machen und die Gestaltungskraft sowie das Potenzial von Betriebsräten öffentlich zeigen. Er findet traditionell im ehemaligen Deutschen Bundestag in Bonn statt. Veranstalter ist das MIT-Institut, Bonn, unter Leitung von Thorsten Halm.
Fotos
Pressefotos vom Deutschen Betriebsrätetag 2023 stehen im Presseordner zum Download bereit. Pressefotos von der Preisverleihung sind direkt beim BUND-Verlag erhältlich. Ansprechpartnerin ist Susanne Ebner-Schurr, Tel. 069/795010-620, susanne.ebner-schurr@bund-verlag.de.
Pressekontakt:
MIT Institut GmbH
Deutscher Betriebsrätetag 2023
Werner Lauff
presse@betriebsraetetag.de
Tel. 08191 9798125
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