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Bundesvereinigung Ernährungsindustrie (BVE)

Statement von Dr. Peter Traumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie anlässlich der Jahrespressekonferenz am 4. Mai 2000 in Berlin

Berlin (ots)

Konjunkturaufschwung in der Ernährungsindustrie spürbar
Nach Einschätzung der sechs führenden
Wirtschaftsforschungsinstitute wird die deutsche Wirtschaft in diesem
Jahr kräftig um 2,8% wachsen. Die Konsumausgaben der privaten
Haushalte werden etwa in gleichem Maße steigen. Die
Ernährungsindustrie benötigt dringend diese konjunkturellen Impulse.
Der nominale Branchenumsatz sank 1999 nach den neuesten Berechnungen
des Statistischen Bundesamtes im zweiten Jahr in Folge und lag mit
228,1 Mrd. DM um rund 0,2% niedriger als 1998. Nach dem kräftigen
Umsatzminus im ersten Halbjahr 1999, tendierte die
Geschäftsentwicklung zum Jahresende wieder freundlicher, so dass ein
positives Jahresergebnis im deutschen Markt von schätzungsweise 0,7%
noch knapp erreicht wurde. Das negative Gesamtergebnis geht auf den
Exporteinbruch um 4,5% 1999 zurück.
Erfreulich ist, dass sich nach dem Einbruch der Erzeugerpreise für
Lebensmittel um 2,7% 1999 jetzt eine leichte Erholung abzeichnet. Für
die Ertragssituation ist damit aber noch keineswegs Entwarnung zu
geben, da die Verluste noch nicht kompensiert sind und
Preiserhöhungen zum Teil an die Rohstofflieferanten weitergegeben
werden müssen.
Exporte als Konjunkturmotor
Auftriebskräfte erhält auch die Ernährungsindustrie als
viertgrößter deutscher Industriezweig wie die Gesamtindustrie im Jahr
2000 maßgeblich vom Export. Der Trend auf den Auslandsmärkten, auf
denen die Unternehmen rund 17% ihres Umsatzes erzielen, weist nach
der schlechten Geschäftsentwicklung 1999 nun wieder nach oben. Im
Januar 2000 lagen die Auslandsumsätze um 3,6% über dem
Vorjahresmonat, mit aufsteigender Tendenz. Die Exporte nach
Nordamerika wachsen - bedingt durch den schwachen Euro-Kurs - derzeit
besonders dynamisch, jedoch entfallen auf diese Region heute nur 4,2%
der gesamten Ausfuhren. Aber auch in der für unsere Industrie
wirtschaftlich wesentlich bedeutenderen Region Mittel- und Osteuropa
zieht die Nachfrage nach der russischen Finanzkrise langsam wieder
an. Russland und die zukünftigen EU-Beitrittsländer sind mit einem
Exportanteil von rund 11% der wichtigste Absatzmarkt für deutsche
Lebensmittel außerhalb der EU (72,5%). Viele mittelständische
Unternehmen der Ernährungsindustrie sind in den jeweiligen
Absatzmärkten inzwischen auch mit eigenen Produktionsstätten
vertreten.
Die Ernährungsindustrie begrüßt den geplanten Beitritt mittel- und
osteuropäischer Staaten in die Europäische Union, sie blickt aber
auch mit Sorge auf den Aufbau von tarifären und nicht-tarifären
Handelshemmnissen wie z.B. in Polen. Hier ist die EU gefordert, im
Vorbeitrittsprozess die Einhaltung der in den Europaabkommen
vereinbarten Erleichterungen des gegenseitigen Marktzugangs streng zu
überwachen und einzufordern. Sie muss auch darauf drängen, dass der
acquis comunautaire von den Beitrittsländern übernommen wird.
Ausfuhrerstattungen für Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar
Die hohe Qualität deutscher Erzeugnisse und die dynamische
Konsumentennachfrage in vielen Regionen der Welt bieten große Chancen
 für ein nachhaltiges Wachstum des Auslandsumsatzes. Gefahren für den
Export und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der
Ernährungsindustrie gehen zur Zeit jedoch von der EU selbst aus, die
bereits seit vergangenem Herbst die Sätze für Ausfuhrerstattungen
gekürzt hat. Zur Zeit wird über den Ausschluß bestimmter Produkte wie
z.B. Fruchtjoghurt von der Erstattungsfähigkeit beraten. Da die
Rohstoffpreise in der EU - bedingt durch Marktordnungen - in vielen
Bereichen höher als auf dem Weltmarkt sind, haben Kürzungen/
Aussetzungen der Ausfuhrerstattungen direkten Einfluß auf die
preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Drittland und
bedrohen damit die Exporte.
Steuerentlastung notwendig
Im wettbewerbsintensiven Lebensmittelmarkt investieren die
Unternehmen zur Zeit kräftig. 1999 betrugen die
Bruttoanlageinvestitionen in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie
9,6 Mrd. DM, hauptsächlich in den Ersatz von Anlagen und aus
Rationalisierungsgründen. Die Zunahme der Investitionen um gut 9%
geht aber wohl auch auf vorgezogene Investitionsprojekte zurück, um
der vom Finanzministerium angekündigten Verlängerung der
Abschreibungsfristen ab 2001 zuvorzukommen.
Diese ist Teil der Unternehmenssteuerreform der Bundesregierung.
Insgesamt begrüßt die Ernährungsindustrie das Ziel der Reform, die
Steuerbelastung der Unternehmen zu senken. Gerade für die überwiegend
mittelständischen Unternehmen, die zumeist Personengesellschaften
sind, ist eine deutliche Entlastung dringend erforderlich. Die
Ernährungsindustrie würde daher eine durchgängige Senkung des
Einkommensteuertarifs sowie des Spitzensteuersatzes der
Einkommensteuer unter 40% als bessere Lösung ansehen.
Steuerentlastungen sind vor allem auch angesichts der weiterhin
angespannten Ertragslage der Unternehmen notwendig. Höhere verfügbare
Einkommen könnten dazu beitragen, die Ausgabefreude der Verbraucher
für Lebensmittel zu steigern.
Appell an den Handel
Vor allem bedarf es aber einer vernünftigen Unternehmenspolitik im
Lebensmitteleinzelhandel. Der Einzelhandel setzt einzig und allein
den Preis als Wettbewerbsparameter ein und hat dabei die Preisspirale
nach unten gedreht. Anstelle von Marktpflege und Wertschöpfung wird
im Ergebnis Wertevernichtung betrieben; der Verbraucher wird zum
bloßen Schnäppchenjäger erzogen und verliert dabei die Wertschätzung
für Lebensmittel.
Die zehn größten Einzelhändler vereinen 83 % des
Lebensmittelumsatzes im Hauptabsatzkanal der Ernährungsindustrie auf
sich. Diese Abhängigkeit nutzen die marktführenden Handelsunternehmen
mit stetig steigenden Konditionenforderungen, denen keine Leistung
gegenübersteht, in allen denkbaren Variationen gezielt aus, um die
Niedrigpreise für den Verbraucher quasi "ertragsneutral" zu
refinanzieren.
Kartellrecht greift bisher nicht
Geltendes Kartellrecht mit kürzlichen Verbesserungen bei der Ross-
und Reiterproblematik und mit dem neu geschaffenen Verbot des
Verkaufs unter Einstandspreis hat sich bisher als stumpfes Schwert
erwiesen. Pilotverfahren gegen zwei große Handelsunternehmen sind
über die Stufe der Vorermittlungen nicht hinaus gekommen.
Untersagungsverfahren wegen des Verkaufs unter Einstandspreis sind
gar nicht erst eingeleitet worden.
Obgleich den Unternehmen der Ernährungsindustrie selbst keine
unmittelbaren Ansprüche als industrielle Zulieferer aus dem Verbot
des Verkaufs unter Einstandspreis erwachsen, haben sie großes
Interesse daran, dass die Verbotsvorschrift in Praxis greift. Die
wirksame Eindämmung von unter Einstandspreis-Strategien kommt ihnen
jedenfalls als Reflex zugute. Dies ist eine wichtige Facette in dem
Bemühen um die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs. Aus Sicht der
Ernährungsindustrie muss die Verbotsvorschrift zumindest eine
abschreckende Vorfeldwirkung entfalten, die von den Unternehmen des
Handels mit überlegener Marktmacht ernst genommen wird. Dazu gilt es
die verschiedenen unbestimmten Rechtsbegriffe wie "Einstandspreis",
"nicht nur gelegentlich" und "sachlich gerechtfertigt"
zweckentsprechend zu konkretisieren.
Nach einem Gespräch führender Unternehmer aus Industrie und Handel
mit dem Bundeskanzler im Dezember 1999, hat das Bundeskanzleramt die
Initiative ergriffen und den Weg für Gespräche mit dem BMWI und dem
Bundeskartellamt eröffnet. Beide haben Bereitschaft signalisiert,
durch die Erarbeitung eines die Transparenz der Vorschrift
verbessernden Leitfadens zur Verbesserung der Marktsituation
beizutragen.
Reform der Mehrwegvorschriften dringend
Im Brennpunkt des Interesses für die Getränkeabfüller der
Ernährungsindustrie stehen die Mehrwegquotenregelungen der
Verpackungsverordnung. Angesichts der drohenden Einführung eines
Zwangspfandes auf Einwegverpackungen nach erneuter Unterschreitung
der Mehrwegquotenvorgabe fordert die Ernährungsindustrie
Bundesumweltminister Trittin nachdrücklich auf, es nicht dazu kommen
zu lassen. Die Ernährungsindustrie verlangt die schnelle Einleitung
der notwendigen Schritte für eine Reform der Mehrwegvorschriften.
Die nach der Verpackungsverordnung vorgesehene Zwangspfandregelung
lehnt die Ernährungsindustrie, wie z. B. auch die Umweltverbände als
untaugliches Instrument zur Förderung und Stabilisierung von Mehrweg
ab. Das Gegenteil ist der Fall.  Darüber hinaus gilt es, durch eine
Novelle der gegenwärtigen Regelung die befürchteten hohen Belastungen
von Getränkeindustrie und Handel, die mit Aufbau und Führung eines
Rücknahmesystems im Handel verbunden wären, zu vermeiden.
Nach langwierigen Gesprächen hat das Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit angekündigt, in einem
"Mischmodell" die bisherige starre Mehrwegquote aufzuheben und auf
ein Mindestfüllvolumen für Mehrweg umzustellen. Dieses Signal
bewertet die Ernährungsindustrie positiv. Der Einführung einer Abgabe
als neuem Sanktionsinstrument bei Zielverfehlung anstelle des
bisherigen Pfandes steht sie sehr zurückhaltend gegenüber. Die neue
Abgabe ist politisch bedenklich und müsste sorgfältig auf
Übereinstimmung mit EG-Recht geprüft werden. Sie würde hohe
Belastungen für die Getränkeabfüller zur Folge haben, die kaum im
Preis an den Handel weitergereicht werden könnten.
BVE unterstützt Rheinland-Pfalz-Initiative
Die Ernährungsindustrie ersucht Bundesumweltminister Trittin rasch
zu handeln und zumindest als Zwischenlösung die Initiative des Landes
Rheinland-Pfalz zu unterstützen. Mit der Ersetzung der Mehrwegquote
durch die Festschreibung eines in Mehrweg zu führenden Füllvolumens
von 20 Mrd. Liter würde die Voraussetzung für eine differenzierte und
sorgfältige Diskussion über eine grundsätzliche Neuorientierung der
Verpackungspolitik geschaffen.
Dabei muss auch die für Mehrweg gegebene Begründung der
ökologischen Vorteilhaftigkeit auf den Prüfstand gestellt werden.
Erste Ergebnisse der vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen
Ökobilanzstudie lassen Mehrweg und damit auch Mehrwegquote in neuem
Licht erscheinen. Dies zwingt zum Überdenken des bisherigen
Verständnisses zu Mehrwegsystemen.
Die deutsche Ernährungsindustrie im Überblick 1999/2000
Nominale
                                                        Veränderung
   Konjunkturentwicklung 1999                           gegenüber
                                                        1998
Umsatz                        228,1 Mrd. DM           - 0,2 % 
   Inlandsumsatz                 190,2 Mrd. DM           + 0,7 %s
   Auslandsumsatz                 37,9 Mrd. DM           - 4,5 %s
   Auslandsanteil des Umsatzes          16,6 %   
   Anzahl der Betriebe                   6.145           + 4,0 %
   Anzahl der Beschäftigten            550.500           + 1,1 %
   Bruttoanlageinvestitionen       9,6 Mrd. DM           + 9,0 %
s BVE-Schätzung
Preisentwicklung 1999
Erzeugerpreise                                         - 2,7%
   Preisindex der Lebenshaltung     Gesamt                 0,6 %
                                    Nahrungsmittel       - 1,3 %
                                    und Getränke
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen; Stand: Mai
2000
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: 
Dr. Sabine Eichner Lisboa
Tel. 02 28-3 08 29-53,
Handy 0171-2951969
Bernd-Ulrich Sieberger, 
Tel. 02 28-3 08 29-51

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