Bundesvereinigung Ernährungsindustrie (BVE)
Tarifpolitik und Beschäftigungsförderung in der Ernährungsindustrie
Dieter Cohrt Vorsitzender der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG), Bonn
Berlin (ots)
Die ANG betrachtet die Entwicklung der diesjährigen Tarifrunde in der Ernährungsindustrie mit großer Sorge.
1. Eigentlich hat das Jahr 2000 mit der gemeinsamen Erklärung der Spitzenorganisationen in der Tarifpolitik vom 09.01.2000 hoffnungsvoll begonnen. BDA und DGB waren sich darüber einig geworden, dass Tarifpolitik auch in den Bündnisgesprächen mit dem Bundeskanzler eine wichtige Rolle zu spielen hat zur Förderung von Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Es sind sogar gemeinsame Empfehlungen für die anstehende Tarifrunde 2000 und darüber hinaus beschlossen worden und als wichtigster Bestandteil wurde ein am Produktivitätszuwachs der gesamten Industrie bzw. der einzelnen Branchen orientierter Verteilungsspielraum definiert. Gemeinsames Ziel der Bündnispartner: beschäftigungsfördernde Maßnahmen zu bewirken.
Inzwischen haben aus Sicht der Deutschen Arbeitgeber die bisher in den Bereichen Chemie und Metall abgeschlossenen Tarifverträge "vernünftige Kompromisse" gebracht. Die vorliegenden zumeist längerfristigen Vereinbarungen unterstützen - nach Meinung der BDA - den konjunkturellen Aufschwung, schaffen Planungssicherheit für die Betriebe und beteiligen die Beschäftigten am Wachstum (s. Pressestatement Dr. Hundt vom 07. April 2000). Zum ersten Mal haben die Gewerkschaften die ökonomischen Zusammenhänge respektiert.
Leider ist diese relative Zufriedenheit auf die ersten Tarifabschlüsse in der Ernährungsindustrie nicht übertragbar. Im Bereich der Erfrischungsgetränke-Industrie z. B. hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Tarifanhebungen von 3,5 % durchgesetzt und in nachfolgenden Tarifbereichen der Branche deutlich über 3 % erstritten. Nun - wir befinden uns erst am Anfang einer langen, sich bis zum Jahresende über ca. 150 Entgeltrunden hinziehenden Tarifauseinandersetzung. Aber leider kehrt die Vernunft des Tarifpartners manchmal erst am Ende einer Periode ein, wenn die wirtschaftlichen Abläufe der Branche zeigen, dass die Belastungen der Tarifabschlüsse unabwendbar und für die Unternehmen nicht verkraftbar sind.
2. Der Vorstand der ANG hat daher versucht, bereits frühzeitig - am 03. Februar 2000 - mit einer Empfehlung für die tariftragenden Mitgliedsverbände und Unternehmen der Ernährungsindustrie auf die Tarifrunde Einfluss zu nehmen. Leider sind seine Vorstellungen, die in deutlicher Anlehnung an die Bündnisabsprachen in Berlin getroffen wurden, in der Tarifwirklichkeit bisher ohne nennenswerten Erfolg geblieben.
Der ANG-Vorstand hatte den für die Ernährungsindustrie in 2000 zu erwartenden Produktivitätszuwachs auf höchstens 1,7 % eingeschätzt und war dabei von einem letztjährigen Wachstum von nur 1,3 % ausgegangen. Um beschäftigungswirksam zu werden, durfte dieser Verteilungsspielraum auch nach Meinung des Sachverständigenrates der Bundesregierung noch nicht einmal vollends ausgeschöpft werden. Anders verlief die bisherige Entgeltrunde.
Darüber hinaus enthält die Vorstandsempfehlung vom 03. Februar 2000 (Exemplare liegen aus) weitere Vorschläge zur Stärkung bzw. Förderung der Beschäftigung in der Ernährungsindustrie z. B.
* Einen Appell, die bereits 1999 erfolgreichen Anstrengungen, mehr Ausbildungsplätze anzubieten, nochmals zu steigern, * Teilzeitarbeit kostenbewusst zu fördern, * Überstunden, soweit möglich, durch flexiblere Arbeitszeitmodelle abzubauen, * Beschäftigungszusagen allenfalls dann zu geben, wenn sie mit wettbewerbsfördernden Kosteneinsparungen verbunden sind, * Altersteilzeitregelungen bei beiderseitiger Freiwilligkeit und Kostenneutralität aufzunehmen bzw. weiter zu entwickeln.
3. Dieses umfassende Beschäftigungskonzept ist bei der NGG bisher auf taube Ohren gestoßen. Nur zum Schein hat sie in ihrem bereits Ende 1999 aufgestellten und hernach nicht geänderten Forderungsrahmen 2000 neben kräftigen Entgeldsteigerungen von 4 bis 5,5 Prozent auch flankierende Maßnahmen gefordert. Davon ist in der aktuellen Tarifauseinandersetzung - ganz anders als in den Bereichen Chemie und Metall - nichts hängen geblieben.
Die NGG sollte die Fakten kennen, die die Lage der deutschen Ernährungsindustrie derzeit bestimmen. Nur statistisch ist der leichte Personalaufbau von 1998 auf 1999 zu erklären. Insgesamt sind die Personalstände rückläufig angesichts von Preiskampf und internationalem Wettbewerb und werden entgegen dem allenthalben sichtbaren Konjunkturaufschwung in unserem stagnierenden Wirtschaftsbereich nur durch drastische Zurückhaltung bei den Personalkosten umkehrbar sein.
Hier verhält sich die Gewerkschaft unverantwortlich. Sie ist jetzt klar allein auf weiter Flur mit der Ansicht, Beschäftigungssicherung bzw. -förderung könne nur durch hohe Lohnabschlüsse und Stärkung der Massenkaufkraft betrieben werden. Diese theoretischen Denkansätze sind erneut in diesen Wochen durch die Tarifbewegungen in den anderen Wirtschaftsbereichen widerlegt worden.
Die ANG appelliert nun an die Vernunft der Gewerkschaft. Sie sollte ihren "Amoklauf" beenden und zurückkehren zu einer Tarifpolitik, die den besseren Einsichten von Ökonomie und Beschäftigung folgt.
Rückfragen: ANG, Godesberger Allee 142-148, 53175 Bonn, Tel.: 0228-9379802, Fax: 0228-9379802
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