Langfriststudie über die entscheidenden globalen Wachstumstrends bis 2020 (Teil 4): 4.000.000.000.000 US-Dollar mehr Umsatz mit Gesundheit
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München/Zürich (ots)
- Der weltweite Gesundheitsmarkt wächst bis zum Jahr 2020 um vier Billionen US-Dollar und entwickelt sich damit dynamischer als das globale BIP - Trotz zweistelliger Steigerungsraten in Schwellen- und Entwicklungsländern dominieren auch 2020 die Industriestaaten den Weltmarkt - Leere öffentliche Kassen erzwingen weitreichende Veränderungen im Gesundheitswesen in Europa und Nordamerika - Patienten werden einen steigenden Anteil der Ausgaben selber zahlen müssen
Der Gesundheitsmarkt bleibt auch in den kommenden Jahren ein Wachstumsmarkt. Der technische Fortschritt, die alternde Gesellschaft und der steigende Wohlstand in den Schwellenländern lassen die Umsätze bis 2020 um vier Billionen US-Dollar auf insgesamt zehn Billionen US-Dollar steigen. In einer einzigartigen Langfristprognose identifizierte die internationale Managementberatung Bain & Company die steigende Nachfrage nach Therapien, Therapeutika und anderen Gesundheitsdiensten als einen von acht strukturellen Trends, die bis zum Jahr 2020 zu einem Anstieg des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 40 Prozent auf 90 Billionen US-Dollar führen werden.
Die öffentlichen Kassen sind leer, die Beiträge zur Krankenversicherung hoch und die Aussichten auf neue Blockbustermedikamente gering. Dennoch hält das Wachstum im weltweiten Gesundheitsmarkt an. Bis 2020 werden die Umsätze um 66 Prozent oder vier Billionen US-Dollar auf zehn Billionen US-Dollar steigen. Dieses Wachstum entfällt je zur Hälfte auf die Industrie- sowie auf die Schwellen- und Entwicklungsländer. Mit durchschnittlichen Steigerungsraten von bis zu 15 Prozent pro Jahr entwickeln sich die Märkte in Asien, Afrika und Lateinamerika zwar dynamischer, doch ändert das nichts an der Dominanz des Westens. So werden die Gesundheitsausgaben in den USA pro Kopf von 8.400 US-Dollar im Jahr 2010 auf 12.300 US-Dollar 2020 zulegen. In den BRIC-Staaten steigen sie im gleichen Zeitraum von 200 auf 500 US-Dollar, und in den Entwicklungsländern von 100 auf 400 US-Dollar.
Dieser Unterschied lässt sich nur zum Teil auf das bestehende Wohlstandsgefälle zurückführen. "In Märkten wie China kann das Gesundheitsangebot noch nicht mit der explodierenden Nachfrage Schritt halten", sagt Dr. Norbert Hültenschmidt, Partner bei Bain & Company und Leiter der weltweiten Healthcare-Praxisgruppe. 2009 wollten laut einer Statistik die Einwohner in Peking 138 Millionen Mal zum Arzt gehen. Doch die Mediziner-Kapazitäten in der chinesischen Hauptstadt ermöglichten nur knapp zwei Millionen Patienten zumindest einmal eine offizielle Behandlung durch einen Arzt.
Unvermindert steigende Gesundheitsausgaben in den Industriestaaten
Ein weiterer zentraler Faktor für den weltweiten Aufschwung im Gesundheitsmarkt sind die unverändert wachsenden Ausgaben in den Industriestaaten - trotz leerer Staatskassen. Die Bain-Studie nennt drei Gründe dafür: Erstens geht die anhaltende Alterung der westlichen Gesellschaft und die Ausbreitung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Fettleibigkeit mit steigenden Behandlungs- und Arzneimittelkosten einher. Zweitens verbessert der technische Fortschritt die Möglichkeiten, einst unheilbare Krankheiten wie Krebs zu therapieren. Und drittens fördert das höhere Gesundheitsbewusstsein der Menschen ihre Bereitschaft, Annehmlichkeiten wie Massagen oder Vitaminpräparate aus eigener Tasche zu zahlen.
Mehr Veränderungen im Gesundheitswesen bis 2020 als in den letzten 50 Jahren
Angesichts der Finanznot der öffentlichen Hand wird es in den kommenden Jahren zu weitreichenden Anpassungen im Gesundheitssektor der Industriestaaten kommen. "In den nächsten Jahren werden wir mehr Veränderungen im Gesundheitswesen sehen als jemals zuvor", ist Bain-Experte Hültenschmidt überzeugt. So werden die ständig aktuelle, persönliche Patientenakte und integrierte Behandlungssysteme kostspielige Doppeluntersuchungen vermeiden und die Effizienz des gesamten Systems dramatisch verbessern. Zudem hält ein striktes Kosten-Nutzen-Denken in Kliniken, Arztpraxen und bei Versicherern Einzug. "Es geht in Zukunft nicht mehr um die bestmögliche Behandlung, sondern um die bestmögliche Behandlung zu den bestmöglichen Kosten", sagt Norbert Hültenschmidt. Darauf werden schon die Patienten achten, die einen immer höheren Teil der Kosten selber tragen müssen. "Die Marktmacht der Patienten wächst und verändert die Spielregeln im gesamten Gesundheitssektor", so Hültenschmidt. "Egal ob Versicherer, Pharmahersteller oder Arzt, sie alle müssen sich wesentlich stärker an den Bedürfnissen ihrer Kunden, den Patienten, ausrichten."
Die größere Marktmacht der Patienten in den Industriestaaten und das wachsende Kostenbewusstsein ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass der Gesundheitsmarkt weiterhin schneller wachsen wird als die Gesamtwirtschaft. Zu groß ist der Bedarf einer alternden Gesellschaft und zu rasant der technische Fortschritt. In diesem Markt bildet sich aber eine "völlig neue Gesundheitsarchitektur", wie Hültenschmidt sie nennt, "mit neuen Strukturen, neuen Technologien und neuen Geschäftsmodellen" heraus.
Ein Milliardenmarkt für Gut-Genug-Medikamente entsteht
Dies gilt vor allem für die Pharmabranche, deren Erfolg lange auf der Entwicklung und Vermarktung patentgeschützter Medikamente beruhte. Nach Überzeugung von Norbert Hültenschmidt ist dieses "Innovatorenmodell" in Zukunft schon aufgrund der rückläufigen Zahl von Blockbustern nur noch eine von mehreren strategischen Alternativen für Pharmahersteller. Daneben treten so genannte "Adjacency-Player", die ähnlich einem Private-Equity-Fonds attraktive Gesundheitsmärkte identifizieren, dort Spezialisten akquirieren, weiterentwickeln und nach einigen Jahren wieder veräußern. Dafür brauchen Adjacency-Player ein tiefes Kunden- und Marktverständnis sowie gute M&A-Fähigkeiten. Eine weiteres Pharma-Geschäftsmodell sind "Gut-Genug-Anbieter", die sich auf die kostengünstige Herstellung von Medikamenten mit ausreichenden Qualitätsstandards konzentrieren. Insbesondere diese Unternehmen werden von der erwarteten Verdoppelung der Ausgaben für Pharmazeutika in Ländern wie China und Indien profitieren. "Für etablierte Hersteller bedeutet der Abschied vom Innovatorenmodell einen Kulturschock", so Hültenschmidt. "Künftig entscheidet nicht mehr primär der Erfolg in der Forschung über den Erfolg am Markt, stattdessen treten Faktoren wie Geschwindigkeit in der Produktentwicklung und Kostenvorteile in Produktion und Vertrieb in den Vordergrund." Doch die Anpassung lohnt sich: Die Ausgaben für Gut-Genug-Medikamente werden weltweit rasant steigen.
Zusammenfassung:
Die acht Billionen-Dollar-Wachstumstrends und ihr Umsatzpotenzial bis 2020
1. Wachsende Mittelschicht: plus 10 Billionen US-Dollar
Insbesondere in den Schwellenländern werden 1,3 Milliarden Menschen bis 2020 die kritische Grenze von 5.000 US-Dollar Haushaltseinkommen pro Jahr überschreiten und erstmals über freies Einkommen für den Konsum verfügen.
2. Ausbau der Infrastruktur: plus 1 Billion US-Dollar
Während in den Industriestaaten angesichts leerer staatlicher Kassen Straßen, Bahntrassen und Stromnetze vermehrt von privaten Unternehmen finanziert werden, investieren die Schwellenländer selbst massiv in moderne Infrastruktur.
3. Steigende Militärausgaben: plus 1 Billion US-Dollar
Der wachsende Wohlstand asiatischer Staaten wird mit einer Aufrüstung einhergehen, denn diese Länder wollen ihre Liefer- und Absatzwege auch militärisch absichern. Im Westen stehen Terrorbekämpfung und neue Themen wie Cyber War mit ausgefeilter Abhör- und Funktechnik im Zentrum.
4. Effizienter Rohstoffeinsatz: plus 3 Billionen US-Dollar
Angesichts endlicher Ressourcen steigen die Preise für Rohstoffe wie Öl, Getreide und Metalle. Zugleich eröffnet die wachsende Knappheit der Ressourcen neue Chancen für Anbieter alternativer und ressourcenschonender Produktionsverfahren.
5. Bessere Bildung: plus 2 Billionen US-Dollar
Je größer der Wohlstand, desto größer der Bedarf nach qualifizierten Arbeitskräften. Der War for Talent wird ein Dauerbrenner bleiben - und zwar in Industrie- und Schwellenländern. Denn auch in den sich entwickelnden Märkten fehlen inzwischen Fach- und Führungskräfte. Neue Technologien, wie eLearning eröffnen in diesem Umfeld westlichen Anbietern neue Wachstumschancen.
6. Höhere Gesundheitsausgaben: plus 4 Billionen US-Dollar
Die rasante Alterung der Bevölkerung in den Industriestaaten und der medizinische Fortschritt treiben den Gesundheitsmarkt weiter an.
7. Optimierte Produkte und Dienste: plus 5 Billionen US-Dollar
Mit einer ständigen Verbesserung bestehender Produkte und Dienstleistungen wecken Unternehmen neue Bedürfnisse bei Verbrauchern. Der Gebrauch teurer Smartphones anstelle einfacher Handys oder der Übergang vom Filterkaffee zu erheblich teureren Kapseln und Pads zeigen das hier schlummernde Potenzial.
8. Bahnbrechende Innovationen: plus 1 Billion US-Dollar
Insbesondere in der Nanotechnologie, der Biotechnologie, der Robotik, der künstlichen Intelligenz und bei sozialen Medien könnte es zu technologischen Durchbrüchen kommen, die einen Produktivitätsschub in weiten Teilen der Wirtschaft auslösen.
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