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Neue Kohlekraftwerke an der Küste: ineffizient, klimaschädlich - und unwirtschaftlich

Berlin (ots)

Untersuchung der Universität Flensburg belegt
Unwirtschaftlichkeit neuer Kohlekraftwerke am Standort Brunsbüttel - 
Vorrangig eingespeister Windstrom verdrängt Kohlestrom - Deutsche 
Umwelthilfe erwartet mittelfristig "tiefgreifende Umstrukturierung 
der nationalen Kraftwerksstruktur" infolge des Ausbaus der 
Erneuerbaren Energien - Atomkraftwerke und große Kohlekraftwerke 
können Schwankungen des Stroms aus Wind und Sonne nicht ausgleichen
Berlin, 12. November 2008: An der Nordseeküste geplante 
Kohlekraftwerke drohen zu Millionengräbern zu werden, weil dort in 
naher Zukunft große Mengen Offshore-Windstrom mit gesetzlichem 
Vorrang ins Netz eingespeist werden. Auf mittlere Sicht erzwingt der 
massive Ausbau der Erneuerbaren Energien in ganz Deutschland eine 
tiefgreifende Veränderung der hergebrachten Kraftwerksstruktur. So 
genannte Grundlastkraftwerke auf Basis von Kohle und Uran, die 
praktisch das ganze Jahr über Tag und Nacht Strom produzieren, müssen
schrittweise ersetzt werden durch Anlagen, die ihre Stromproduktion 
flexibel den Schwankungen von Wind- und in einigen Jahren auch 
Sonnenstrom anpassen können.
Konkret vorgerechnet hat den bevorstehenden Umbruch im deutschen 
Stromsystem eine kürzlich abgeschlossene Untersuchung der Universität
Flensburg, in der die wirtschaftlichen Perspektiven der in 
Brunsbüttel an der Elbmündung geplanten vier Kohleblöcke mit einer 
elektrischen Gesamtleistung von 3.200 Megawatt unter die Lupe 
genommen wurden. "Die Ökonomie arbeitet für den Klimaschutz und für 
die Gegner neuer Kohle- und alter Kernkraftwerke", sagte Professor 
Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg, der die Arbeit betreut 
hat, heute in Berlin. Bei der Einspeisung in Stromnetze mit 
begrenzter Kapazität habe nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG)
der Offshore-Windstrom Vorrang, der noch dazu zu Betriebskosten von 
praktisch Null Cent an der Küste ankomme. Auch technisch und 
ökonomisch werde daher der Windstrom vor jeder anderen Stromerzeugung
genutzt. Außerdem könnten große Kohleblöcke wie auch Kernkraftwerke 
nicht einfach kurzfristig ab- und wieder angefahren werden, um die 
Schwankungen des Windstromangebots auszugleichen. "Dafür eignen sich 
Gaskraftwerke wesentlich besser", erläuterte Hohmeyer, der auch 
Mitglied im Weltklimarat IPCC und im Sachverständigenrat für 
Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung ist.
"Die Ergebnisse der neuen Studie für die Kohlekraftwerksprojekte 
in Brunsbüttel sind nur das Wetterleuchten für das, was schon bald in
ganz Deutschland an Veränderungen in der Kraftwerksstruktur relevant 
wird", sagte Rainer Baake, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen 
Umwelthilfe e. V. (DUH). Die Ergebnisse nähmen nur für einen 
exponierten Standort vorweg, was nach der von der Bundesregierung 
angestrebten Verdoppelung des Stroms aus Erneuerbaren Energien von 
heute über 15 Prozent auf 30 Prozent oder mehr in elf Jahren (2020) 
bundesweit zum Alltag gehören werde. Baake verwies darauf, dass der 
Preis an der Leipziger Strombörse schon in diesen Tagen stundenweise 
unter die Null-Cent-Schwelle drifte, wenn der Wind kräftig bläst und 
gleichzeitig der Strombedarf, etwa an Wochenenden, relativ gering 
sei. Statt ihre Großmeiler kurzfristig abzufahren, zahlen die 
Kraftwerksbetreiber Stromverbrauchern in diesen Situationen lieber 
dafür, dass sie ihnen den Strom abnehmen. "Der politisch gewünschte 
und aus Klimaschutzgründen zwingende Ausbau der Erneuerbaren Energien
in Deutschland erfordert die parallele Anpassung der hergebrachten 
Kraftwerksstruktur an die neuen Bedingungen", sagte Baake. Viele 
Verantwortliche in der Politik und der Energiewirtschaft hätten noch 
nicht begriffen, dass ein stark wachsender Anteil von Strom aus 
Erneuerbaren Energien und ein Festhalten an einer großen Zahl so 
genannter Grundlastkraftwerke zwangsläufig zu Widersprüchen im 
Stromsystem führen. Die im letzten Monat erstmals in Deutschland 
aufgetretenen negativen Strompreise an der Großhandelsbörse, seien 
Vorboten dieser Entwicklung.
"Selbst wenn die Transportkapazität des Stromnetzes an der 
Nordseeküste bei Brunsbüttel parallel zum bevorstehenden Auf- und 
Ausbau der Offshore-Windkapazitäten stark ausgebaut wird, kämen die 
derzeit von mehreren Investoren geplanten vier 
800-Megawatt-Kohleblöcke übers Jahr nicht mehr ausreichend lange zum 
Einsatz, um wirtschaftlich arbeiten zu können", erklärte die Autorin 
der Studie und Diplom-Wirtschaftsingenieurin, Frauke Wiese. Anhand 
eines "Stromeinspeise-Modells" der in Brunsbüttel einspeisenden 
Offshore-Windenergieanlagen und der vor Ort geplanten 
Steinkohlekraftwerke konnte Wiese zeigen, dass die vier neuen 
Kohleblöcke statt der kalkulierten 7.000 bis 8.000 
Jahresvolllaststunden maximal zwischen 4.111 und 6.190 
Volllaststunden pro Jahr Strom ins Netz einspeisen könnten - zu 
wenig, um die eingesetzten Kapitalkosten einzuspielen und eine 
Rendite abzuwerfen. Dabei sei anzunehmen, dass die tatsächliche 
Volllaststundenzahl durch mangelnde Kühlmöglichkeiten in der Elbe im 
Sommer noch weiter reduziert werden muss. "Heute errichtete 
Kohlekraftwerke sind als Grundlastkraftwerke konzipiert und nicht 
flexibel genug, um als ergänzende Energielieferanten im so genannten 
Mittellastbereich wirtschaftlich zu arbeiten", erklärte Wiese. "Was 
wir dringend brauchen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen und eine 
vergleichsweise risikoarme Stromversorgung sicherstellen wollen, sind
flexibel einsetzbare Gaskraftwerke als Ergänzung zur fluktuierenden 
Wind- und Sonnenenergie. Darüber hinaus brauchen wir neue 
Speicherkonzepte für Strom sowie eine Glättung der Verbrauchsspitzen 
auf Seiten der Stromabnehmer."
Links:
- Studie: Auswirkungen der Offshore-Windenergie auf den Betrieb von 
  Kohlekraftwerken in Brunsbüttel:  http://www.duh.de/fileadmin/user_
upload/download/Projektinformation/Kohlekraftwerke/Windenergie-Kohlek
raftwerke_Brunsbuettel_Wiese.pdf
  • Schaubild: Stromnachfrage und EEG-Einspeisung: http://www.duh.de/fi leadmin/user_upload/download/Projektinformation/Kohlekraftwerke/Strom nachfrage_EEG-Einspeisung_10-2008.pdf
  • Schaubild: Stromeinspeiseverlauf Brunsbüttel nach Endausbau Offshore-Windenergie: http://www.duh.de/fileadmin/user_upload/downl oad/Projektinformation/Kohlekraftwerke/Einspeiseverlauf_Brunsbuettel. pdf

Pressekontakt:

Prof. Dr. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg, Auf dem Campus 1,
24943 Flensburg, Tel.: 0461 805 2533,
E-Mail: hohmeyer@uni-flensburg.de

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil: 0151 55 01 69 43, Tel.: 030 2400867-0,
Fax: 030 2400867-19, E-Mail: baake@duh.de

Frauke Wiese, Autorin Brunsbüttel-Untersuchung;
Mobil: 0176 20444562, E-Mail: frauke.wiese@gmail.com

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030 2400867-21,
Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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