Grundsatzpapier zur aktuellen Diskussion um die Verpackungsverordnung
Düsseldorf (ots)
Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels e.V. Humboldtstraße 7, 40237 Düsseldorf, Tel. 0211/683938, Fax. 0211/683602
Verband des Deutschen Getränke-Einzelhandels e.V. Laufamholzstraße 314 a, 90482 Nürnberg, Tel. 0911/502665, Fax. 0911/5048154
Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien e.V. Justus-Staudt-Straße 2, 65555 Limburg, Tel. 06431/52048, Fax. 06431/53612
Deutsche Umwelthilfe e.V. Güttinger Straße 19, 78315 Radolfzell, Tel. 07732/99950, Fax: 07732/999577
Pro Mehrweg e.V. Humboldtstraße 7, 40237 Düsseldorf
Die Bepfandungs- und Rücknahmepflicht für ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen als wirksames Instrument der Mehrwegförderung
I. Wirtschaftliche Bedeutung
3.600 Unternehmen des deutschen Getränkefachgroßhandels, 800 mittelständische Privatbrauereien und Tausende Getränke-Einzelhändler sichern zurzeit ein funktionierendes und intaktes Mehrwegsystem für Getränkeverpackungen. Allein der Getränkefachgroßhandel distribuiert mehr als 70 Prozent aller Getränke in die Absatzstätten des Einzelhandels, der Getränkeabholmärkte, der Gaststätten, der Hotellerie, im Heimdienst und auf Festen. Sein Gesamtumsatz beträgt rund 29 Milliarden DM.
Mit 53.000 Mitarbeitern beschäftigt der deutsche Getränkefachgroßhandel seit Jahren mehr Arbeitnehmer als die gesamte Brauwirtschaft. Weitere 40.000 Beschäftigte in mittelständischen Privatbrauereien und 100.000 im Getränke-Einzelhandel gewährleisten das Funktionieren des seit 100 Jahren bestehenden ökologisch vorteilhaften Mehrwegsystems in Deutschland. Mit ihren Dienstleistungen sorgen sie dafür, dass der Endverbraucher die einzigartige Produktvielfalt von rund 1.250 Brauereien, 240 Mineralbrunnen, 240 Softdrink-Herstellern sowie 400 Fruchtsaft-Herstellern in allen Einkaufsstätten zur Verfügung hat.
II. Ausgangssituation
Hintergrund der Mehrwegschutzregelung in der Verpackungsverordnung war die rückläufige Entwicklung des Mehrweganteils in den 80er Jahren. 1980 lag der Mehrweganteil noch bei rund 76 Prozent; 1989 bei rund 72 Prozent. Es war eine Zusage der bundesdeutschen Wirtschaft an die damalige Bundesregierung, die 72 Prozent Quote freiwillig einzuhalten und für den Fall der Unterschreitung ein Pflichtpfand zu akzeptieren.
Obwohl diese Regelungen den Groß- und Konzernbetrieben in Brau- und Brunnenindustrie und Lebensmittelhandel sehr wohl bekannt war, ist der Anteil ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen in den vergangenen Jahren weiter zurückgegangen. Der Mehrweganteil des Jahres 1997 unterschritt erstmals die Quote von 72 Prozent. 1998 war der Mehrweganteil bereits auf 70,13 Prozent gesunken. Schätzungen und Hochrechnungen unseres Verbandes weisen darauf hin, dass die Quote für 1999 bei rund 68 liegen dürfte und für das Ende 2000 sogar mit einem Rückgang auf 66 Prozent zu rechnen ist. Insbesondere die Dynamik der Entwicklung der letzten zwei Jahre und aktuelle Entwicklungen wie die Auslistung von Mehrweg bei den PLUS-Discountmärkten sind ein Indiz für eine weitere Verschärfung dieses Trends.
III. Marktimmanente Gründe, die für eine Bepfandung sprechen
1. "Waffengleichheit" zwischen Mehrweg und Einweg
Insbesondere bei Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränken wird eine große Zahl der in Einweg abgefüllten Produkte künstlich verbilligt, von den großen Einwegproduzenten und den Großformen des Lebensmittelhandels in den Markt gedrückt und durch in Mehrweg abgefüllte Produkte so quasi quersubventioniert. Hintergrund ist hier der Verdrängungswettbewerb der großen Handelsunternehmen. Nach einer aktuellen Marktanalyse der M+M-EUROdATA sollen die TOP 5 des deutschen Lebensmittelhandels bis 2010 rund 82 Prozent des Gesamtumsatzes auf sich vereinen. Zum heutigen Zeitpunkt liegt der Anteil noch bei knapp über 60 Prozent. Nur so ist zu verstehen, dass mittlerweile die 0,5-Liter-Bierdose zu Dumpingpreisen von DM 0,49 und darunter angeboten wird.
Bis zur Mitte des Jahres 2000 lagen 70 Prozent aller Handelsmarken im Preissegment bis DM 0,59. Danach erfolgte nochmals die Preissenkung auf DM 0,49 durch die großen Discounter wie Aldi und Lidl. Eine Bepfandungs- und Rücknahmeverpflichtung für Einweg würde diese ökologisch und ökonomisch sinnlose Praxis zumindest stoppen, da die Rücknahme von Einwegverpackungen nun den gleichen Aufwand erfordert wie bei Mehrweggebinden. Es käme somit zu einer ehrlichen und realistischen Kalkulation von Einweg, sodass Mehrweg seine Attraktivität wiedererlangen und Marktanteile gewinnen wird. Nicht zuletzt hat die von GFGH und DUH in Auftrag gegebene Studie zum Verhalten der Lebensmittelgeschäfte unter 800 m2 gezeigt, dass 46,3 Prozent dieser Geschäfte beabsichtigen, Einweg auszulisten, sofern es zu einer Bepfandung kommt. Hier würden dann die in den letzten Monaten zahlreich auf dem Markt etablierten Mehrweg-Kleingebinde (8er-, 9er- und 11er-Kästen für Bier, Mineralwasser und Säfte) Verwendung finden.
Das Pfand wird zudem zu einer deutlichen optischen Verteuerung von Einweg führen: Eine 0,5-Liter-Bierdose ist nach der geltenden Verpackungsverordnung künftig mit einem Pfand von DM 0,50 zu belegen, während für die 0,5-Liter-Bierflasche lediglich DM 0,15 an Pfand zu leisten sind. (entsprechend für die Palette Dosen DM 12,00 und für den Kasten mit 20 Flaschen DM 6,00 inkl. Pfand für den Kasten).
2. Verringerung des Convenience-Vorteils von Einweg
Neben den künstlich verbilligten Preisen ist der Convenience-Vorteil der Ex-und-hopp-Einwegverpackung ein maßgebliches Verkaufsförderungsargument. Mit der Bepfandung von Einweg geht diese aber zum größten Teil verloren, da die Einwegverpackungen nunmehr wie eine Mehrwegverpackung zum Verkaufsort zurückgebracht werden muss.
Hinzu kommt, dass die Rückgabe gebrauchter Einweggetränkeverpackungen unbequemer ist als die von Mehrweg, da Einweg zumeist ohne Umverpackung - also lose - verkauft wird.
3. Einwegpfand stützt Mehrweg
Die von DUH und GFGH durchgeführte repräsentative Befragung des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland hat wie zuvor ausgeführt klar ergeben, dass ein Pfand auf ökologisch nachteilige Einwegverpackungen nicht zu einer Auslistung von Mehrweg führen wird. Zudem haben zwischenzeitlich zahlreiche Einzelhändler wie auch erste Handelsketten (z. B. V-Markt-Kette Augsburg/München, Familia-Warenhausgruppe in Hessen) mitgeteilt, für den Fall eines Einwegpfandes über die Auslistung von Einweg nachzudenken.
4. Investitionen und Kosten
Die von BDI, DIHT und HDE immer wieder angeführten Kosten bei Einführung des Pfandes von 4 bis sogar 7 Milliarden DM sind völlig unrealistisch. Eigene Berechnungen sowie die Analysen der VFW AG in Köln sowie des Automatenherstellers TOMRA bestätigen die Aussage von Investitionen in Höhe von rund 900 Mio. DM bis 1,2 Milliarden DM. Das aktuelle gemeinsame Papier von Umwelt- und Wirtschaftsministerium geht demgegenüber von höchstens 2 Milliarden DM Investitionsvolumen aus. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass selbst zehn Prozent der kleinsten Lebensmittelgeschäfte bis 100 m2 Verkaufsfläche Automaten anschaffen würden. Eine weitere, wenig realistische Annahme besteht in der 60-prozentigen Automatisierung der Rücknahme von Einweggebinden bei Getränkeabholmärkten. Diese vertreiben heute zu rund 97 Prozent ausschließlich Mehrweg.
Alles in allem bilden sich zurzeit verschiedenste Initiativen, die sich mit den Planungen für die nötige Rückführung der bepfandeten Einweggebinde beschäftigen. Dies wird die DSD-dominante Entsorgungsstruktur aufbrechen; ein vom Kartellamt in verschiedensten Anhörungen als wünschenswert bezeichneter Zustand.
Den laufenden Kosten für das Pfand-Rücknahmesystem stehen auf der Habenseite Erlöse gegenüber für Sekundärrohstoffe sowie eingesparte Lizenzgebühren in Höhe von rd. 550 Millionen DM. Unter dem Strich ergeben sich maximale Mehrkosten durch das Pfand-Rücknahmesystem von 264,9 Millionen DM (laut konservativer Hochrechnung des BMU/BMWi). Daraus resultiert eine durchschnittliche Belastung in Höhe von 1,84 Pfennigen pro Verpackung. Bezogen auf die Einwohnerzahl Deutschlands von 80 Millionen ergibt sich eine Pro-Kopf-Mehrbelastung von 3,31 DM pro Jahr.
5. Arbeitsplatzsicherung
Der Schutz des Mehrwegsystems sichert rund 250 000 Arbeitsplätze in mittelständischen Betrieben, die im schlimmsten Falle bei dem Zusammenbruch des Mehrwegsystems gefährdet wären. Eine ausschließliche Umstellung auf Einweg würde maximal 50.000 Arbeitsplätze neu schaffen, sodass ein Verlust von netto insgesamt 200.000 Arbeitsplätzen zu befürchten ist. Diese Arbeitsplätze sind zudem nicht exportierbar - wie beispielsweise die von Verpackungsherstellern oder Einwegabfüllern.
IV. Ökologische Gründe
1. Zusammenbruch des Mehrwegsystems in Staaten ohne Pfand/Abgabe
Eine von DUH und GFGH vorgenommene Analyse der Entwicklung der Mehrwegsysteme in anderen europäischen Staaten, in Nord- und Südamerika belegt eindrucksvoll, dass diese innerhalb weniger Jahre unter dem Ansturm der Einwegverpackungen zurückgehen bzw. regelrecht zusammenbrechen. So ist in den USA die klassische Coca Cola 0,33-L-Pfandflasche nur noch im Souvenirshop erhältlich, der Mehrweganteil in den USA beträgt 0,4 Prozent.
Wie schnell ein Zusammenbruch eines Mehrwegsystems erfolgen kann, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, zeigt die Entwicklung in Belgien. Hier betrug die Mehrwegquote für Mineralwasser und Softdrinks im Jahr 1993 nach unseren Recherchen noch 70 Prozent und ist bis Ende 2000 auf ca 20 Prozent praktisch zusammengebrochen. In Österreich fiel die Mehrwegquote über alle Getränkeverpackungen in nur drei Jahren von 1997 bis 2000 um über 14 Prozent (von 64,77 auf 50,67 Prozent), allein im Segment Mineralwasser um 30 (!!) Prozent. Damit ging die Vernichtung mittelständischer Existenzen und Arbeitsplätze einher, da die Entwicklung in beiden Fällen von Groß- und Konzernbetrieben forciert wurde.
2. Positive Erfahrungen des Einwegpfandes in anderen Staaten
Die Bepfandung wirkt. Erfahrungen aus skandinavischen Ländern und der USA bestätigen diese Aussage. Beispielsweise wurde in Schweden mit Hilfe der Bepfandung die Mehrwegquote aller Getränke seit Jahren über ca. 15 Jahre hinweg stabilisiert.
3. Lösung des Littering-Problems
Die Bepfandungs- und Rücknahmeverpflichtung für Einweg wird das sogenannte Littering-Problem "perfekt lösen", da der vorgeschriebene Pfandwert von DM 0,50 pro Verpackung dazu führen wird, dass Dosen, Einwegglas und Einwegkunststoffflaschen praktisch vollständig aus der Landschaft verschwinden. Aufgrund des hohen Pfandwertes ist eine übr 97%-igeSammlung und Rückführung garantiert.
Den Umfang des heute an den Straßen, in Bahnhöfen oder in den Innenstädten entsorgten Mülls macht eine Auswertung der Straßenmeisterei Celle deutlich. Demnach werfen Autofahrer auf Landesstraßen im Jahr 50 Kilo Verpackungsmüll pro Kilometer aus dem Fenster, auf Bundesstraßen sogar 100 Kilogramm.
4. Ergebnisse der UBA II-Studie
Die Ergebnisse der letzten Ökobilanzierung UBA II zeigen klar und deutlich, dass von 28 untersuchten Verpackungssystemen lediglich ein System unter bestimmten Umständen an die ökologische Vorteilhaftigkeit der Mehrwegsysteme heranreicht (Kartonverpackung). Dabei untersucht eine Ökobilanz lediglich die leere Verpackung unter durchschnittlichen Marktbedingungen. Würde man das darin transportierte Füllgut hinzunehmen, würde sich die ökologische Überlegenheit von Mehrweg noch drastischer darstellen und selbst die Kartonverpackung ab bestimmten Entfernungen nicht mehr ökologisch vorteilhaft sein.
V. Rechtliche und politische Gründe
1. Vertrauensschutz
Die mehrwegorientierten Wirtschaftskreise haben seit Erlass der Verpackungsverordnung im Jahre 1991 sowie der bestätigenden Novelle 1998 im Vertrauen auf das Inkrafttreten der Bepfandungs- und Rücknahmepflicht viele Milliarden DM in die ökologisch und ökonomisch überlegenen Getränkemehrwegsysteme investiert. Diese Investitionsentscheidungen genießen Vertrauensschutz.
Die Politik ist gehalten, für einen Vollzug ihrer Rechtsnormen zu sorgen und das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit politischer Grundsatzentscheidungen und in den Rechtsstaat nicht erneut zu enttäuschen. Die einwegorientierten Großbrauereien und Brunnen sowie die Großformen des Handels konnten sich seit rund zehn Jahren auf den nunmehr Realität werdenden Sanktionsmechanismus einstellen.
2. Mehrheitswunsch der Bevölkerung
Die Bevölkerung unterstützt das Vorhaben der Umweltminister. Laut der jüngsten "Spiegel-Online-Umfrage" vom 5. Februar befürworten 81 Prozent das Dosenpfand bzw. kaufen ohnehin nur Mehrwegflaschen. Nur 19 Prozent halten die Bepfandung nicht für sinnvoll bzw. kündigten an, weiterhin Dosenbier zu kaufen.
Vier weitere Umfragen zwischen August 2000 und Februar 2001 weisen ebenfalls einen sehr hohen Zustimmungsgrad von 66 bis 81 Prozent aus.
3. Europarechtliche Gründe
Die Europäische Kommission hat die in der deutschen Verpackungsverordnung normierten Regelungen praktisch akzeptiert. Wenn nunmehr Bundesumweltminister Trittin eine generelle Pfandpflicht auf ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen umsetzt, ohne eine separate Quote festzulegen, wird das Vertragsverletzungsverfahren gänzlich hinfällig, das sich zum Schluss nur noch mit dem Produkt Mineralwasser auseinander setzte.
FAZIT:
Der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels fordert von den verantwortlichen Politikern in Bund und Ländern somit Stehvermögen und Glaubwürdigkeit. Wir treten nach-drücklich für den Vollzug der geltenden Bepfandungs- und Rücknahmepflicht bzw. die von Bundesumweltminister Jürgen Trittin angestrebte Novellierung in Richtung generelle Bepfandung ökologisch nachteiligter Getränkeverpackungen ein. Dies insbesondere, nachdem Konsensgespräche über eine mögliche Abgabe aufgrund der grundsätzlich ablehnenden Haltung von BDI und DIHT scheiterten.
Ein nochmaliges Zögern oder gar ein Aufweichen der Verpackungsverordnung darf es nicht geben, da anderenfalls Ökologie, Arbeitsplätze und mittelständische Strukturen auf dem Spiel stehen. Die in diesem Memorandum beschriebene Haltung wird durch die nachfolgend aufgeführten Verbände unterstützt:
Deutsche Umwelthilfe e.V. Jürgen Resch Bundesgeschäftsführer
Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels e.V. sowie Pro Mehrweg e. V. Günther Guder Geschäftsführender Vorstand
Verband des Deutschen Getränke-Einzelhandels e.V. Wolfgang Brügel Vorsitzender
Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien e.V. Roland Demleitner Geschäftsführer
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