Grundsatzurteile für die Saubere Luft: Deutsche Umwelthilfe freut sich über Klarstellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Ludwigsburg und Kiel
Berlin/Leipzig (ots)
- Oberverwaltungsgericht Schleswig muss nun Rechtswidrigkeit von Luftfiltern auf dem Radweg in Kiel unter die Lupe nehmen
- Revision von Land Baden-Württemberg und Stadt Ludwigsburg in Teilen zurückgewiesen: Luftreinhalteplan muss überarbeitet und Grenzwert in 2021 zwingend eingehalten werden
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat heute in zwei Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf Saubere Luft in den Städten Kiel und Ludwigsburg geurteilt. Die Verhandlung fand bereits am Mittwoch, den 26.5.2021, in Leipzig statt. Die Verfahren wurden zusammen mit der Klage des BUND gegen die Hansestadt Hamburg verhandelt.
In dem Klageverfahren der DUH gegen das Land Baden-Württemberg für die Saubere Luft in Ludwigsburg hat das BVerwG heute die Revisionen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Ludwigsburg teilweise zurückgewiesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vom 26. November 2019, welches das Land zu einer unverzüglichen Fortschreibung des Luftreinhalteplans verpflichtete, wurde zwar in der Begründung abgeändert. Die Landesregierung muss gleichwohl nach Maßgabe des Gerichts einen neuen Luftreinhalteplan aufstellen und darin weitere konkrete Maßnahmen aufnehmen, damit im gesamten Stadtgebiet und auch an der Schlossstraße die Grenzwerteinhaltung in 2021 endlich und sicher gelingt.
Im Klageverfahren der DUH gegen das Land Schleswig-Holstein für die Saubere Luft in Kiel hat das BVerwG die Sache an das Oberverwaltungsgericht Schleswig zurückverwiesen, um eine Beweisaufnahme nachzuholen. Das BVerwG entscheidet ausschließlich über juristische Fragen und kann die offenen, tatsächlichen Fragen in diesem Verfahren nicht eigenständig aufklären. Insbesondere konnte das BVerwG nicht selbst klären, ob die Aufstellung der Filteranlagen auf dem Radweg rechtswidrig ist. Die DUH begrüßt die Zurückverweisung, damit die Rechtswidrigkeit der während des Revisionsverfahrens errichteten Luftfilteranlagen am Theodor-Heuss-Ring geklärt werden kann. Vor allem die Positionierung auf dem Fahrradweg sowie zahlreiche irrsinnige Schilder, die den Radverkehr im Slalom um die Staubsaugeranlagen herumführen, sind nach Auffassung der DUH erkennbar rechtswidrig.
"Das ist ein guter Tag für die Saubere Luft und die Menschen in Ludwigsburg, Kiel und Hamburg. In allen drei Bundesländern sind die Grünen in den zuständigen Ministerien seit Jahren in der Verantwortung. Doch anstatt die Saubere Luft durch ehrliche Maßnahmen sicherzustellen, versuchen ausgerechnet grüne Landesminister in Ludwigsburg und Kiel das Dieselabgasgift NO2 nur direkt neben Messsensoren durch absurde Luftstaubsauger zu reinigen. Und erneut benötigten wir Gerichtsentscheidungen, um die Einhaltung von Umweltvorschriften durchzusetzen", so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertritt ergänzt: "Klar ist eins: In beiden Städten darf es im Jahr 2021 zu keiner Grenzwertüberschreitung mehr kommen - die Geduld der Gerichte mit mehr als zehn Jahre andauernden Rechtsverletzungen ist am Ende. Die jeweiligen Landesregierungen müssen gemeinsam mit den Städten nachhaltige Lösungen zur Abwicklung ihrer Verkehrsmengen finden."
Das BVerwG hat in seinen Urteilen deutlich gemacht, dass die Behörden bei der Bewertung der Luftqualität nicht ausschließlich auf punktuelle Messungen abzielen dürfen, sondern vorliegende Modellierungsergebnisse für weitere Straßenabschnitte ebenfalls in die Luftreinhalteplanung einfließen müssen. Die Stadt Ludwigsburg hatte in dem Luftreinhalteplan bisher ausschließlich Maßnahmen im direkten Umfeld der Friedrichstraße geplant und umgesetzt, obwohl Modellierungen der Luftqualität auch im sonstigen Straßennetz teilweise erhebliche Grenzwertüberschreitungen gezeigt haben. Nach dem durch die DUH erstinstanzlich gewonnenen Verfahren hat das Land Baden-Württemberg endlich ergänzende Messungen eingeführt. Diese zeigen an der Schlossstraße selbst im Corona-Jahr 2020 eine erhebliche Grenzwertüberschreitung von 47 Mikrogramm NO2/m³. Die dort geplanten Filteranlagen bringen nach eigenen Unterlagen des Landes nur eine Reduzierung um 6 bis 9 Prozent. Damit gleichen sie allenfalls den Lockdown-Effekt des Jahres 2020 aus, mehr nicht. Es bedarf daher weiterer Maßnahmen, um den Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm NO2/m³ im Jahr 2021 sicher und flächendeckend einzuhalten.
Auch in Kiel müssen die Anstrengungen für die Verkehrswende und gegen die schlechte Luftqualität erhöht werden. Eine rechtswidrige Maßnahme kann nicht Grundlage einer zulässigen Luftreinhalteplanung sein. Wenn die Stadt Kiel unbedingt Luftfilter einsetzen möchte, dann darf dies nicht auf unzulässige Weise zu Lasten des Radverkehrs geschehen. Wenn diese Luftfilter auf die Fahrbahn anstatt auf den Fahrradweg gestellt werden, könnten sie tatsächlich eine Wirkung haben, da die Kapazität der Straße reduziert wird. Dass der Verkehr in der Stadt Kiel nicht zusammenbricht, wenn weniger Fahrzeuge über den Theodor-Heuss-Ring fahren, haben die umfangreichen Baustellen im Jahr 2020 gezeigt, bei denen die Straßen nur eine statt drei Fahrspuren hatte.
Die Urteilsbegründungen des Gerichts liegen noch nicht vor.
Hintergrund:
Ludwigsburg: Im März 2019 reichte die DUH Klage gegen das Land Baden-Württemberg ein, da der NO2-Grenzwert in Ludwigsburg überschritten wurde. An der Messstation Friedrichstraße lag die Belastung im Jahr 2018 bei 51 µg/m³. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 26. November 2019 klargestellt, dass die vom Land und der Stadt Ludwigsburg vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, um den NO2-Grenzwert flächendeckend einzuhalten.
Kiel: Bereits im November 2017 hat die DUH Klage gegen das Land Schleswig-Holstein eingereicht, da der NO2-Grenzwert in Kiel überschritten wurde. An der Messstation Theodor-Heuss-Ring lag die Belastung im Jahr der Klageeinreichung bei 56 µg/m³. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig gab der Klage der DUH am 25. Juni 2020 statt und teilte die Kritik der DUH. Die Luftfilteranlagen entlang des Theodor-Heuss-Rings seien keine geeignete Maßnahme, um eine flächendeckende Grenzwerteinhaltung in Kiel sicherzustellen.
Pressekontakt:
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Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Geulen & Klinger, Berlin
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