Deutsche Umwelthilfe warnt Große Koalition vor Atomkompromiss auf Kosten der Sicherheit
Die jetzt öffentlich gewordenen Überlegungen würden den Sicherheitsansatz des Atomausstiegs auf den Kopf stellen. Die verwundbarsten Meiler sollen länger, die vergleichsweise sicheren kürzer laufen. DUH: Einladung an Terroristen
Radolfzell/Berlin, 20. Oktober 2005: Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat die Verhandlungsgruppen aus SPD und CDU/CSU eindringlich aufgefordert, den Atomausstieg nicht mit Tricks zu Lasten der Sicherheit in sein Gegenteil zu verkehren. Im Ergebnis der heute veröffentlichten Überlegungen würden ausgerechnet die ältesten, unsichersten und für Terrorangriffe verwundbarsten Atomkraftwerke Jahre länger betrieben als geplant.
Über eine sachfremde Uminterpretation der so genannten Übertragungsregel im Atomkonsens sollten offenbar Stromkontingente von vergleichsweise modernen Reaktoren auf Altmeiler überschrieben werden, die laut Atomvertrag in der bevorstehenden Legislaturperiode abgeschaltet werden müssen. Der Wortlaut des Atomkonsenses müsste dafür nicht geändert werden. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt, sagt Gerd Rosenkranz, Leiter Politik der Deutschen Umwelthilfe. Dieser trickreiche Einstieg in den Ausstieg aus dem Atomausstieg ist offenbar in den Konzernzentralen ersonnen worden. Dort hofft man schon jetzt auf eine neue Chance der Atomparteien nach der Bundestagswahl 2009. Dann solle der Atomkonsens, den dieselben Konzerne selbst ausgehandelt und unterschrieben haben, endgültig in den Orkus geschickt werden.
Rosenkranz erinnerte daran, dass die Übertragungsregel die Möglichkeit eröffnen soll, alte Meiler mit zweifelhafter Sicherheit früher stillzulegen. Was jetzt diskutiert wird, ist das glatte Gegenteil und widerspricht diametral dem Sicherheitsansatz des Atomausstiegsvertrages. Dies sei umso verheerender als die Übertragungsregel die vor den Terrorangriffen vom 11. September 2001 ausgehandelt wurde noch mehr Sinn mache, seit Terroristen Atomkraftwerke als mögliche Angriffsziele deklariert haben. Umso wichtiger sei es, Reaktoren mit nur marginalem Schutz gegen Terrorangriffe aus der Luft wie Biblis, Neckarwestheim 1 oder Brunsbüttel früher stillzulegen, statt sie länger zu betreiben.
Nebenbei sei jede Laufzeitverlängerung für in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ersonnene Kraftwerke auch ein Anti- Modernisierungsprogramm für die deutsche Energiewirtschaft. Die Erneuerung des Kraftwerksparks erfordere statt alter Risikotechnologien einen Mix aus modernen, hocheffizienten Gas- und Dampfkraftwerken, möglichst mit zusätzlicher Wärmeauskopplung (Kraft- Wärme-Kopplung), und Erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse. Schon die Abschaltung des AKW Obrigheim habe beispielhaft gezeigt, dass Kraftwerksbetreiber in Reaktion auf die Reduzierung ihrer Atomstromkapazität ihr verbleibendes Kraftwerksarsenal modernisieren. So habe die Energie Baden Württemberg AG, EnBW, parallel zur Abschaltung des AKW Obrigheim die Effizienz ihrer Kohlekraftwerke in Karlsruhe erhöht, um Kohlendioxid und Brennstoff einzusparen.
Die Union hatte im Wahlkampf größtmögliche Sicherheit der Atomkraftwerke versprochen, die SPD ihr Festhalten am Ausstiegsfahrplan. Dabei sollten die künftigen Koalitionsparteien bleiben. Das Überleben der verwundbarsten Reaktoren politisch zu schützen, käme einer Einladung an den internationalen Terrorismus gleich, warnte Rosenkranz.
Für Rückfragen: Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH),0171/5660577, rosenkranz@duh.de
Stefan Bundscherer, Bevollmächtigter für Energiewirtschaft und Klimaschutz, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), 0177/3323300, bundscherer@duh.de
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