Wildes Berlin: Unter uns wohnen Seeadler, Wanderfalken und Biber
Berlin (ots)
Die neuen Roten Listen der gefährdeten Pflanzen und Tiere von Berlin dokumentieren eine erstaunliche Artenvielfalt innerhalb der Hauptstadt. Doch ein Drittel aller Berliner Tier- und Pflanzenarten sind in ihrem Bestand bedroht. Rund 100 Experten diskutierten heute in Berlin Wege zu mehr Natur in der Stadt. In ihren dort verabschiedeten Handlungsthesen fordern sie mehr "Mut zur Wildnis".
29. November 2005. Berlin ist eine grüne Metropole mit einem im internationalen Vergleich herausragenden Naturreichtum. Sensationelle Arten wie Seeadler, Biber, Kranich und Fischotter sind heute wieder in Berlins Gewässerlandschaften zu beobachten. Auch zahlreiche überregional seltene und hochgradig gefährdete Pflanzenarten wachsen in Berlin. So kommt der Vielteilige Rautenfarn in Deutschland außer in Berlin nur noch in Bayern vor. Der Blaue Tarant, ein Enziangewächs, hat im Norddeutschen Flachland nur noch wenige andere Vorkommen.
"Insgesamt wurde in Berlin die erstaunlich hohe Zahl von 7240 Tier- und Pflanzenarten gefunden. Allerdings sind 29 Prozent dieser Arten bedroht, 13 Prozent der früher vorkommenden Arten Berlins sind bereits ausgestorben. Wir können jedoch davon ausgehen, dass Berliner Parks und Grünanlagen, Wälder und Feuchtgebiete, Brachflächen, Uferstreifen und selbst Friedhöfe vielen Tier- und Pflanzenarten wertvolle Lebensräume in der Stadt bieten können. Voraussetzung ist jedoch, dass Naturschutzziele bei der Pflege der Flächen berücksichtigt werden", erläutert Prof. Dr. Ingo Kowarik, der Berliner Landesbeauftragte für Naturschutz.
Wie auch angesichts leerer öffentlicher Kassen mehr Natur in der Stadt gewagt werden kann, diskutierten heute in Berlin rund 100 Experten aus ganz Deutschland auf Einladung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Reportagemagazins GEO mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
"Die Stadtplanung selbst muss natur- und landschaftsverträglicher ausgerichtet werden. Politik für den Schutz der Tier- und Pflanzenarten und für die Lebensqualität der Menschen ist kein unüberwindbarer Gegensatz, sondern gemeinsame Aufgabe und Herausforderung", betont Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz der DUH, "denn Naturschutz in der Stadt macht die Lebensräume der Menschen wieder attraktiver und beugt der Abwanderung ins Umland und dessen Zersiedelung vor."
"Besonders Kinder brauchen Naturerfahrungen und sollten Natur im direkten Umfeld erfahren können. Wenn bereits im frühen Alter eine positive Beziehung zur Natur gefestigt wird, ist im späteren Leben meist auch ein verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt zu erwarten", ergänzt Tom Müller, Projektleiter "GEO-Tag der Artenvielfalt" des Reportagemagazins GEO.
Die Experten verabschiedeten heute "Handlungsthesen für mehr Natur in der Stadt". Auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen gäbe es eine Reihe von Möglichkeiten, für mehr Natur in der Stadt zu sorgen. Die Symposiumsteilnehmer fordern unter anderem die Ächtung von Pflanzenschutzmitteln, die Nutzung einheimischer Wildpflanzen und die Förderung von "Naturerlebnis in der Stadt" "Vor allem sollten Städte mehr Mut zur Wildnis zeigen", fordert Frank Neuschulz von der DUH. So könnten in Wäldern, Friedhöfen und Parks einige Bereiche aus Nutzung und Pflege herausgenommen und sich selbst überlassen werden.
Der diesjährige "GEO-Tag der Artenvielfalt" beschäftigte sich bereits mit "Natur in der Stadt!". Von besonderem Interesse war bei der Aktion die ökologische Qualität und der Artenreichtum innerstädtischer Zonen. Über 120 Flora- und Fauna-Experten erkundeten am 11. Juni 2005 im Rahmen der Hauptaktion binnen 24 Stunden den Berliner Tiergarten. Parallel fand am New Yorker Bronx-River ebenfalls ein Tag der Artenvielfalt statt (Bio-Blitz). Bereits zum siebten Mal initiierte das Reportage-Magazin GEO diesen Tag, der sich mittlerweile zur größten Feldforschungsaktion Mitteleuropas entwickelt hat - mit der Zielsetzung, das ökologische Bewusstsein wach zu halten. Kooperationspartner war in diesem Jahr die Deutsche Umwelthilfe, die als unabhängiger Natur- und Umweltschutzverband bereits seit 1975 in ganz Deutschland aktiv ist. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützt dieses Projekt finanziell.
Mit ihrem systematisch aufbereiteten Informationsgehalt sind Rote Listen seit langem eine häufig genutzte Entscheidungshilfe der Verwaltung bei der Ausweisung von Schutzgebieten, der Entwicklung von Biotopverbundsystemen, der Bewertung von Eingriffen in Natur und Landschaft und bei vielen anderen Aufgabenstellungen. Sie helfen damit auch, die beschränkten öffentlichen Mittel auf die dringendsten Naturschutzaufgaben zu konzentrieren. Für die - auch gesetzlich vorgeschriebene - Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt Berlins sind Rote Listen unentbehrliche und zugleich auch allgemein akzeptierte Arbeitsmittel. Sie veranschaulichen auf wissenschaftlicher Grundlage, wie es um das Überleben von Tier- und Pflanzenarten in einem bestimmten Gebiet bestellt ist. Die Roten Listen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten von Berlin wurden unter Federführung des Landesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege, Prof. Dr. Ingo Kowarik von zahlreichen Fachleuten erarbeitet. Ein Hintergrundpapier zu gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in Berlin, zu Besonderheiten und Gefährdungssituationen kann auf der Seite www.duh.de heruntergeladen werden. Prof. Dr. Ingo Kowarik beantwortet interessierten Medienvertreterinnen und -vertretern von 11:00 bis 11:30 Uhr Fragen zu den neuen Roten Listen. Eine CD der Roten Listen ist beim Info-Center der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Behrenstraße 42-45, 10117 Berlin, Tel. 90205555 oder E-Mail: info-center@senstadt.verwalt-berlin.de erhältlich.
Für Rückfragen: Carla Vollmer, Deutsche Umwelthilfe, Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell, mobil 0160-5321051, E-Mail: vollmer@duh.de
Bernd Machatzi, Mitarbeiter des Landesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege in Berlin, Am Köllnischen Park 3, 10173 Berlin, Tel. 030-90251930; 030-65660314 oder mobil 0173/7028496, E-Mail: Bernd.Machatzi@senstadt.verwalt-berlin.de
Tom Müller, Redaktion GEO, Tel. 040-37032732, mobil 0171-9909007, E-Mail: Mueller.Tom@geo.de
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