An Autobahnen gedeihen erstaunliche Biotope
Hamburg (ots)
Die deutschen Autobahnen werden weltweit geschätzt wegen ihrer Funktionalität und ihres nicht vorhandenen Tempolimits. Ein Netz von 13.000 Kilometern Länge, das das Land verbindet - und die Landschaft zerschneidet. Aber wie die Zeitschrift P.M. MAGAZIN (Ausgabe 11/2013) berichtet, bildet es auch neue, kuriose Lebensräume. Rehe äsen direkt neben der Fahrbahn, unbeeindruckt vom Lärm, weil sie wissen, dass hier kein Mensch zu Fuß hinkommt. Kaninchen, Mäuse und Singvögel bevölkern die ausgedehnten Gehölzstreifen, die die Autobahnen über weite Strecken auf beiden Seiten säumen. Greifvögel wie Bussard, Sperber oder Rotmilan lauern auf Beutetiere, die am Straßenrand nicht weiterkommen und in der Falle sitzen. Turmfalken rütteln zuweilen direkt über der Fahrbahn, besonders im Winter, weil der Mittelstreifen wegen des Spritzwassers häufig schneefrei ist und die dort lebenden Mäuse leichter zu erwischen sind.
Überhaupt, der Mittelstreifen: ein extremer Standort. Volle Sonne, starke Temperaturschwankungen, ständiger Wind durch die Fahrzeuge. Im Winter reichert sich Streusalz im Boden an und schafft Bedingungen wie an der Meeresküste. Kein Wunder, dass sich salzliebende Pflanzen hier zu Hause fühlen. Etwa das Dänische Löffelkraut. Diese Pflanze ist typisch für die Salzwiesen und Marschen an der Nordsee. Bis vor wenigen Jahrzehnten existierte sie ausschließlich dort. Doch inzwischen hat sie das Land erobert. Ihre Samen reisen an Kühlergrills, auf Windschutzscheiben, in Reifenritzen, oder sie werden einfach vom Fahrtwind verwirbelt. Wenn man die Stellen, an denen das Dänische Löffelkraut inzwischen entdeckt wurde, auf einer Karte einträgt, erhält man praktisch eine Abbildung des norddeutschen Fernstraßennetzes.
500 Kilometer weiter südlich findet Klaus Brückner, im Regierungspräsidium Stuttgart zuständig für Naturschutz beim Straßenbau, ganz andere Naturschätze an der Autobahn: Orchideen. Am Stuttgarter Kreuz etwa pflegt Brückner einen reichhaltigen Orchideen-Standort. Neun verschiedene Arten kommen hier vor, dazu weitere Wildpflanzen. "Im Prinzip ist das hier eine Magerwiese", sagt Brückner, "wenig Nährstoffe, keine Pestizide."
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