Der Tagesspiegel: Gesine Schwan im Interview zu Reformen, der Beziehung zwischen Wirtschaft und Politik und ihrem Verhältnis zu Kanzler Schröder
Berlin (ots)
Berlin. Die Kandidatin für das Bundespräsidentenamt Gesine Schwan fordert angesichts der anstehenden Reformen in Deutschland mehr Konsens statt Konfrontation. "Reformen verlangen Risikobereitschaft", sagte sie dem Tagesspiegel am Sonntag. Deshalb sei "die Kompensation der Unsicherheit, die von Reformen immer ausgeht, durch politisch-kulturelle Sicherheit nötig. Die Menschen und die großen Akteure müssen voneinander wissen, dass sie sich in ihrer jeweiligen Legitimität anerkennen", sagte die Kandidatin der rot-grünen Koalition. Zwischen den großen sozialen Akteuren müsse wieder ein Vertrauensverhältnis hergestellt werden, "das die notwendigen Risiken kompensiert". Zudem mahnte Schwan, die Wirtschaft dürfe die Politik nicht beherrschen, sondern die Politik müsse umgekehrt die Ökonomie mitgestalten. Wenn Politik "nicht entschieden genug darauf beharrt, Ökonomie weiter zu gestalten, gibt es die Gefahr, dass sie sich dann von der Dynamik der Ökonomie verdrängen lässt", sagte die Rektorin der Viadrina Frankfurt (Oder). Sie selbst habe einen "politikwissenschaftlichen Ansatz, und das ist ein ganzheitlicher". Von dem Volk, das sie als Präsidentin vertreten möchte, wünscht sich die 60-Jährige manchmal etwas mehr Humor und lockere Selbstdistanz. "Es gibt eine Form von sturer Beharrlichkeit und von Ernst, die ich nicht gern habe und die ich zum Teil mit deutschen Verhaltensweisen assoziiere", sagte Schwan. Mit Bick auf ihr Verhältnis zu Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte sie, ihr Bild von ihm habe sich gewandelt, seit sie ihn vor etwa drei Jahren persönlich kennen gelernt habe. Früher habe sie den Eindruck gehabt, "dass er die Macht, den Machterwerb wichtiger nimmt als die Inhalte von Politik". Inzwischen glaube sie, "dass er zwar ein bisschen salopper ist als ich und im Umgang mit der Macht entschiedener, aber dass er doch über Werte nachdenkt". Schröder sei "deutlich inhaltlicher orientiert, als ich gedacht habe, und auch normativer. Doch er hat eine Scheu, das auszusprechen. Er hat Angst, pathetisch zu wirken", sagte Gesine Schwan.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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