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Der Tagesspiegel: Tagesspiegel-Interview mit Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck: „Die Aktion war nicht inszeniert"

Berlin (ots)

Der Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck verteidigt
die Aktion seines Nachfolgers Elias Bierdel (seit Dezember 2002 im
Amt) gegen den Vorwurf, das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer
medienwirksam inszeniert zu haben, um für seine Organisation zu
werben. "Die Aktion war nicht inszeniert", sagte Neudeck dem
Tagesspiegel. Er habe die Hilferufe von Bord zwar für völlig
übertrieben gehalten, doch in einer solchen Situation sei Bierdels
Verhalten verständlich. "Wenn sie verantwortlich sind für 37 Menschen
und kommen drei Wochen nicht von Bord, wird die Situation einfach
ziemlich ungemütlich, und man wird nervös." In der heutigen
Medienwelt sei es nun einmal erforderlich, mit dem Medien zu
kooperieren. "Das ist noch lange kein Grund, eine Aktion zu
bezweifeln oder Verdachtsmomente aufkommen zu lassen", sagte Neudeck.
Er kritisierte jedoch, dass Bierdel weitere Flüchtlingsfahrten im
Mittelmeer angekündigt hat: "Diese Aussage Bierdels ist das Einzige,
was ich in dieser Situation nicht für klug halte. Mein Prinzip bei
Cap Anamur bestand immer darin, die deutsche Bevölkerung für ein
Projekt zu gewinnen - fast schon plebiszitär zu gewinnen." Es müsse
eine klare Unterstützung und damit Mandatierung für solche Aktionen
geben, so Neudeck.
Das Interview im Wortlaut:
„Die Aktion war nicht inszeniert"
Herr Neudeck, es gibt Vorwürfe, die Rettung der Afrikaner vor
Sizilien sei eine fernsehgerechte Inszenierung gewesen. Ging es „Cap
Anamur" auch um Selbstdarstellung? Das schließe ich aus. Es wäre auch
eine große Dummheit, so etwas zu machen, weil es die Arbeit von „Cap
Anamur" gefährden würde. Ich habe die Hilferufe von Bord auch für
völlig übertrieben gehalten, aber das macht man in einer solchen
Situation. Wenn sie verantwortlich sind für 37 Menschen und kommen
drei Wochen nicht von Bord, wird die Situation einfach ziemlich
ungemütlich, und man wird nervös. Die Aktion war nicht inszeniert.
Mein Nachfolger bei Cap Anamur, Elias Bierdel, wollte Druck machen.
Und dafür ist jedes Mittel recht? Wir leben nun einmal in einer
Mediengesellschaft. Schon 1979, als wir die „Boat people" aus Vietnam
gerettet haben, waren wir darauf angewiesen, dass Journalisten dabei
waren. Das ist noch lange kein Grund, eine Aktion zu bezweifeln oder
Verdachtsmomente aufkommen zu lassen.
Ging es diesmal auch darum, im Kampf um Spenden auf sich
aufmerksam zu machen? Nein, sicher nicht. Die „Cap Anamur" hat
genügend Mittel aus Spenden, solche Einsätze zu starten. Deshalb
glaube ich nicht, dass hier etwas gemacht wurde, um einen Anstieg von
Spenden zu erreichen.
Elias Bierdel hat angekündigt, künftig öfter Flüchtlingsfahrten im
Mittelmeer zu unternehmen. Ein Sprecher des deutschen
Innenministeriums kritisierte, damit würden noch mehr Menschen zur
Flucht ermutigt. Diese Aussage Bierdels ist das Einzige, was ich in
dieser Situation nicht für klug halte. Mein Prinzip bei „Cap Anamur"
bestand immer darin, die deutsche Bevölkerung für ein Projekt zu
gewinnen - fast schon plebiszitär zu gewinnen. Es muss eine klare
Unterstützung und damit Mandatierung geben, damit Einsätze wie diese
ohne Regierungsgelder machbar sind. Das würde ich an Stelle meines
Nachfolgers erst einmal ausloten, ehe ich zu weiteren Rettungsfahrten
auslaufen würde.
Können solche Aktionen helfen, das Flüchtlingsproblem zu lösen?
Grundsätzlich kann unsere Aufgabe in Europa nur sein, die wenigen,
die rüberkommen, aufzunehmen und alles zu tun, die Verhältnisse in
den afrikanischen Herkunftsländern zu verbessern. Das halte ich
humanitär für die bessere Lösung. Das Gespräch führte Marc Hasse.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email: thomas.wurster@tagesspiegel.de

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