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Der Tagesspiegel: Irakexperte: Bundesregierung hat vermutlich noch keinen gesicherten Kontakt zu Geiselnehmern

Berlin (ots)

Die Lage der zwei entführten deutschen Geiseln im
Irak hat sich nach Ansicht des Irakexperten Hans J. Gießmann 
dramatisch zugespitzt. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass derzeit
noch kein konkreter Kontakt zu den Geiselnehmern besteht. Man weiß 
nicht, wo sich die Geiseln befinden, mit wem man sprechen muss, und 
die Handlungsoptionen der Regierung sind auf Grund der 
Sicherheitslage im Irak beschränkt", sagte der Leiter des Zentrums 
für Europäische Friedens- und Sicherheitsstudien dem Tagesspiegel in 
Berlin (Freitagausgabe).
"Die Entführer haben Forderungen aufgestellt, die keine Regierung der
Welt erfüllen kann - und die auch im Widerspruch zu den Interessen 
des irakischen Volkes stehen", sagte Gießmann weiter. Würde die 
Bundesregierung auf die Forderungen eingehen, könnte sie ihre 
zugesagten Aufbauhilfen nicht mehr erbringen. Und sie würde sich 
erpressbar machen. Das schüfe einen Präzedenzfall, der schlimme 
Folgen mit sich bringen könne.
Der Experte geht davon aus, dass es noch keine feste Grundlage für 
Verhandlungen gibt und dass die Bundesregierung noch gar nicht sicher
wisse, mit wem sie über was verhandeln solle. Ein Kontakt zu 
Geiselnehmern werde üblicherweise über Mittelsleute hergestellt, die 
sich gemeldet hätten. "Die werden anhand standardisierter Fragen 
überprüft, deren Antworten nur die Entführungsopfer wissen können", 
sagte Gießmann. "Dann muss ausgesiebt werden, welche Informationen 
stichfest sind oder wo vielleicht Trittbrettfahrer im Spiel sind, die
wieder eigene Interessen haben." Das sei eine schwierige Abwägung, da
die Bundesregierung nur sehr schwer selbst aktiv werden kann. 
"Geklärt werden muss, wer die Entführer sind und ob sie überhaupt an 
Verhandlungsergebnissen interessiert sind."  Aufschluss könnte auch 
der Name der Entführer-Gruppe, Ansar Al Tahwid wa Al Sunna, geben. 
"In der Bezeichnung der Gruppe verstecken sich zwei unterschiedliche 
Ziele. Sunna steht für die Nationalisten, die Anhänger des alten 
Saddam-Regimes. Al Tahwid weist zu den Islamisten, die einen 
Gottesstaat anstreben. Diese beiden Strömungen bekriegen sich 
eigentlich im Irak - denn die Islamisten bedeuten eine Gefahr für den
säkularen Staat, wie ihn sich die Anhänger Saddams wünschen", 
erklärte Gießmann. Wenn der Name ein Anzeichen dafür sei, dass die 
beiden Gruppen anfingen, sich zu überlagern, bedeute das nichts 
Gutes. Möglich sei aber auch, dass es sich nur um ein Kunstprodukt 
handele, um möglichst viele anzusprechen.
Fragen unter: 030 - 26009- 683

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
thomas.wurster@tagesspiegel.de

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