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Der Tagesspiegel: Brandenburgs Generalstaatsanwalt Rautenberg dringt auf schnelle Ausweitung der Sicherungsverwahrung für gefährliche Straftäter

Berlin (ots)

Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg
dringt auf eine schnellstmögliche Ausweitung der Sicherungsverwahrung
für gefährliche Straftäter. Es fehle ihm "jedes Verständnis" dafür, 
dass eine bekannte Gesetzeslücke, die die Freilassung von 
bekanntermaßen gefährlichen Straftätern erzingt, nicht unverzüglich 
geschlossen wird, schreibt Rautenberg in einem Beitrag für den 
"Tagesspiegel" (Montagsausgabe). So müsse Anfang Februar aus dem 
brandenburgischen Strafvollzug ein Mann entlassen werden, der dann 
eine elfjährige Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von 
Kindern voll verbüßt haben wird, aber weiter als gefährlich gilt. 
Eine  "nachträgliche Sicherheitsverwahrung" könne aber nicht verhängt
werden -- denn, so schreibt Rautenberg, der Bundesgerichtshof erlaube
dies nur, wenn während des Strafvollzuges "neue erhebliche Tatsachen"
über die Gefährlichkeit eines Täters bekannt geworden sind.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) habe 
deshalb Anfang Januar einen Brief an Bundesjustizministerin Brigitte 
Zypries (SPD)  geschrieben und um Beschleunigung des 
Gesetzgebungsverfahrens gebeten, schreibt Rautenberg. Zuvor hatte der
Bundesrat bereits im Mai einen Entwurf eines Gesetzes zur "Stärkung 
der Sicherungsverwahrung"  beschlossen. Rautenberg kritisiert, dass 
auch die Bundesregierung einen Entwurf zur Behebung der Gesetzeslücke
angekündigt habe, seither aber untätig geblieben sei.
Sie können diesen Bericht unter Nennung der Quelle verwenden. Im 
Anschluss finden Sie den vollständigen Beitrag Rautenbergs für den 
"Tagesspiegel".
Mit freundlichen Grüßen,
Holger Wild
Der Tagesspiegel
Redaktion Berlin-Brandenburg
Der Gesetzgeber als Sicherheitsrisiko
Eine Rechtslücke verhindert, gefährliche Straftäter für immer 
wegzuschließen
Von Erardo Rautenberg
Anfang Februar wird aus dem brandenburgischen Strafvollzug ein 
Mann entlassen werden, der dann eine elfjährige Freiheitsstrafe wegen
sexuellen Missbrauchs von Kindern voll verbüßt haben wird, aber 
weiter als gefährlich gilt. Da die der Verurteilung zugrunde 
liegenden Taten vor dem 1. August 1995 in den neuen Bundesländern 
begangen worden waren, war die Anordnung einer sich an die 
Freiheitsstrafe anschließenden Sicherungsverwahrung gesetzlich 
ausgeschlossen. Die nunmehrige Anordnung einer "nachträglichen 
Sicherungsverwahrung" nach der Vorschrift des Paragrafen 66b 
Strafgesetzbuch, die seit dem 29. Juli 2004 gilt, scheitert nach der 
gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daran, dass nach 
der Verurteilung während des Strafvollzuges keine "neuen erheblichen 
Tatsachen" bekannt geworden sind. An der Entlassung dieses 
gefährlichen Mannes führt also kein Weg vorbei, und dem Vernehmen 
nach droht auch in anderen neuen Bundesländern die Freisetzung 
"menschlicher Zeitbomben", es sei denn, der Gesetzgeber wird endlich 
tätig.
Das Problem ist längst bekannt: Am 15. Juli 2005 wurde in 
Mecklenburg-Vorpommern die 16-jährige Carolin sexuell missbraucht und
ermordet. Der Täter war eine Woche zuvor nach Verbüßung einer 
siebenjährigen Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen worden. Bei 
seiner Verurteilung wegen eines schweren Sexualdeliktes hatte das 
Gericht von der Anordnung anschließender Sicherungsverwahrung 
abgesehen. Und die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung war 
auch in diesem Fall nicht möglich, weil sich an der dem Gericht 
bereits bei der Verhängung der Freiheitsstrafe bekannten 
Gefährlichkeit nichts geändert hatte.
Wegen der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung hatte die 
Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, einen Antrag auf Erlass der 
Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung zu stellen. Dafür wurde
sie von der damaligen Opposition in einem Untersuchungsausschuss an 
den Pranger gestellt. Gleichwohl wird eine integre Staatsanwaltschaft
auch künftig darauf verzichten, offensichtlich unbegründete Anträge 
bei Gericht zu stellen, um den Zorn über eine der Öffentlichkeit 
nicht kommunizierbare Rechtslage von sich auf die weniger 
angreifbaren Richter zu lenken.
Nachdem der Untersuchungsausschuss seine Schuldigkeit als Kampfarena 
im Landtagswahlkampf getan hatte, der unbequeme Generalstaatsanwalt 
aus Altersgründen pensioniert worden war und die damalige Opposition 
nun die Justizministerin stellt, konnte sich auch in 
Mecklenburg-Vorpommern die Erkenntnis durchsetzen, dass die 
Staatsanwälte nur geltendes Recht angewandt hatten und dieses 
offenbar eine Lücke aufweist, der Bundesgesetzgeber also im Besitz 
des Schwarzen Peters ist.
Bereits am 19. Mai 2006 hat der Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes 
zur "Stärkung der Sicherungsverwahrung" beschlossen, um diese 
Gesetzeslücke zu schließen. Mit Schreiben vom 28. Juni 2006 hat die 
Bundeskanzlerin den Entwurf an den Präsidenten des Deutschen 
Bundestages mit einer Stellungnahme der Bundesregierung 
weitergeleitet. Darin teilt die Bundesregierung "die Auffassung des 
Bundesrates, dass das System der Sicherungsverwahrung zum Schutz 
insbesondere von Frauen und Kindern vor schweren Sexual- und 
Gewalttaten der Ergänzung bedarf", und kündigt an, dass sie "in 
Kürze" einen eigenen Entwurf vorlegen werde, der die zutage 
getretenen Probleme einer umfassenden und differenzierenden Lösung 
unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben zuführen solle. Bei 
dieser Ankündigung ist es bisher leider geblieben, was zu einem 
ungewöhnlichen Vorgang geführt hat: Die Justizministerin des Landes 
Brandenburg hat den anfangs geschilderten Fall im Kabinett 
vorgetragen, wonach auf ihre Bitte der Ministerpräsident deswegen die
Bundesjustizministerin Anfang dieses Monats angeschrieben und um 
Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens gebeten hat.
Auch mir fehlt jedes Verständnis dafür, wenn erkannte Gesetzeslücken,
die zur Begehung schwerster Straftaten führen können, nicht 
unverzüglich geschlossen werden. Für Straftäter, bei denen die 
materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung bei der 
Aburteilung vorlagen, diese aber aus formellen Gründen nicht 
angeordnet werden konnte, die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit 
aber fortbesteht, und für Straftäter, bei denen eine derartige 
Gefährlichkeit auf einer nicht behandelbaren psychischen Erkrankung 
beruht, könnte in der Tat gelten, was der Basta-Kanzler 2001 
verkündete: "Wegschließen - und zwar für immer"

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de


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