Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Hindu-Nationalisten schüren Sprachenstreit in Indien
Weltweite Sprachenvielfalt akut bedroht
Indiens umstrittene Sprachenpolitik gefährdet Weltkulturerbe
---- Göttingen, den 16. September 2019 ----- Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Indiens Hindu-nationalistischer Regierung vorgeworfen, mit ihrer Sprachenpolitik die Sprachenvielfalt und das Weltkulturerbe zu gefährden. "Indien ist einzigartig in seiner Sprachenvielfalt. Wenn Indiens Regierung nun Hindi zur nationalen Sprache erklären will, dann ist dies ein Anschlag auf die Vielfalt der Kulturen im eigenen Land und in der Welt", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Montag in Göttingen. Indiens Innenminister Amit Shah hat einen Sturm der Entrüstung und Proteste ausgelöst, als er am Wochenende forderte, Hindi zur nationalen Sprache des Landes zu erklären. Die GfbV kritisierte, Hindu-Nationalisten wollten mit ihrer umstrittenen Sprachenpolitik nur die Hinduisierung des Landes vorantreiben und Minderheiten weiter ausgrenzen.
Massiver Widerspruch gegen die Einführung des Hindi als alleinige offizielle Amtssprache kommt vor allem aus dem Süden des Landes. Denn der Vorschlag des Innenministers droht die bisherige Praxis zu beenden, neben Hindi und Englisch auch regionale Sprachen in einzelnen Bundesstaaten als offizielle Sprachen anzuerkennen und zu nutzen. Vor allem aus den Bundesstaaten Tamil Nadu und Karnataka hagelt es Kritik, weil ihre Sprachen zu den bislang besonders berücksichtigten 22 Hauptsprachen des Landes zählen. Oppositionspolitiker kritisieren die Initiative als "Kriegserklärung an den Föderalismus" und warnen eindringlich davor, die Stimmung in Indien über einen Sprachenstreit noch weiter zu polarisieren. Für nur 45 Prozent der Bevölkerung ist Hindi die Muttersprache. Im Juni 2019 hatte die Hindu-nationalistische Regierung bereits einen Gesetzentwurf nach massiven Protesten zurückziehen müssen, der die Einführung des Hindi als dritte Pflichtsprache an allen Schulen vorsah.
Besonders gefährlich ist diese Entwicklung für 197 Sprachen indigener Völker, die laut der UN-Weltkulturorganisation UNESCO in Indien akut bedroht sind, weil sie großem Assimilierungsdruck ausgesetzt sind. In Indien leben rund 104 Millionen indigene Adivasi. Sie machen 8,6 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Es gibt eine weltweit einmalige Vielzahl und Vielfalt an indigenen Sprachen. Gemäß der Verfassung kennt das Land nur 22 Hauptsprachen, obwohl mehr als 121 gesprochen werden. Darüber hinaus existieren gemäß dem Zensus von 2011 noch 1635 Dialekte.
Am kommenden Mittwoch wird sich der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) in Genf in einem halbtägigen Symposium mit dem Verschwinden indigener Sprachen beschäftigen. Am Rande dieses Forums wird die GfbV gemeinsam mit drei indigenen Sprach-Experten und der Menschenrechtsorganisation Incomindios einen Menschenrechtsreport zur Erhaltung der indigenen Sprachenvielfalt vorstellen und mehr Engagement für den Schutz dieser Sprachen einfordern. Die Vereinten Nationen haben 2019 zum Internationalen Jahr indigener Sprachen erklärt.
Sie erreichen Ulrich Delius unter u.delius@gfbv.de oder 0160/95671403
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