Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Hunger und eskalierende Gewalt in Tigray: Schweigen tötet in Äthiopien
Hunger und eskalierende Gewalt in Tigray:
- GfbV fordert öffentlichen Druck durch die Bundesregierung nach dem Versagen der stillen Diplomatie
- Ohne politische Lösung drohe ein langer, verlustreicher Guerilla-Krieg
- Durch die Gewalt sei eine neue Hungerkatastrophe zu befürchten
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat von der deutschen Bundesregierung gefordert, mehr Druck auf die Konfliktparteien in Äthiopien auszuüben. Der Krieg in Tigray müsse gestoppt und eine Hungerkatastrophe verhindert werden. "Die stille Diplomatie hat versagt. Als bedeutendster Partner Äthiopiens in Europa muss Deutschland nun alle Mittel und auch öffentlichen Druck nutzen, um eine Wiederholung der tragischen Hungerkatastrophe von 1984 / 85 zu verhindern", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Wer zu diesem grausamen Krieg gegen die Zivilbevölkerung schweigt, wird mitverantwortlich für das Töten in Äthiopien", sagte Delius. Schon heute herrsche Hunger in Tigray. Mit der Blockade von Hilfen und der Flucht zehntausender Menschen sei eine Katastrophe vorprogrammiert. Während der Hungerkatastrophe in Äthiopien in den Jahren 1984 und 1985 starben hunderttausende Menschen.
Seit Beginn des bewaffneten Konflikts Anfang November seien mindestens 310 Personen aus Medien oder Militär alleine wegen ihrer Herkunft aus Tigray willkürlich ausgegrenzt und festgenommen worden. Die Verfolgung von Personen aufgrund ihrer ethnischen Abstammung sei ein massiver Verstoß gegen die UN-Konvention zur Abschaffung rassischer Diskriminierung, die das Land 1976 ratifiziert hat. "Wer Menschenrechte grob verletzt, um staatliche Autorität durchzusetzen, kann nicht Partner Deutschlands sein. Es darf kein Wegschauen bei Menschenrechtsverletzungen guter Partner oder bei einem vermeintlich 'guten Zweck' geben. Denn Menschenrechte sind universell gültig", so Delius.
Nachdrücklich warnte die GfbV vor einer Ausweitung des Krieges, der neben den Regionen Tigray und Amhara auch schon Eritrea erfasst hat. Der Region drohe ein langer, verlustreicher Guerilla-Krieg, entgegen der Ankündigungen des Premierministers Abiy Ahmed. Denn nach einer möglichen Besetzung der Regional-Hauptstadt Mekelle werde sich die Gewalt in die bergigen ländlichen Gebiete verlagern. Erst gestern wurde Mekelle erneut von äthiopischen Kampfflugzeugen angegriffen. Die Präsidentin der Universität in der Stadt bestätigte, dass Bomben auf dem Campus schwere Schäden verursacht hätten.
Äthiopiens Regierung sammelt auch unter der in Deutschland lebenden Diaspora Spendengelder für den Krieg. In dieser Woche versandte sie entsprechende Appelle in amharischer Sprache. "Tigrays dominierende TPLF-Bewegung ist weder im In- noch im Ausland beliebt. Angesichts der vielen Menschenrechtsverletzungen während ihrer jahrzehntelangen Herrschaft in Äthiopien ist dies nachvollziehbar. Doch ein neuer Flächenbrand im Norden des Landes droht das ganze Horn von Afrika in einen Strudel von Gewalt und Flucht zu ziehen. Es kann nur eine politische Lösung der Konflikte geben", erklärte Delius.
Deutschland hat sein Engagement in Äthiopien im Jahr 2020 deutlich verstärkt. So versprach man dem Land in Regierungsverhandlungen 340 Millionen Euro Hilfe, weitere 110 Millionen wurden für die Pandemie-Bekämpfung und das Gesundheitssystem zugesagt. Auch wurde ein Abkommen unterzeichnet, um Investitionen deutscher Unternehmen zu fördern. Außenminister Heiko Maas und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchten Äthiopien. Entwicklungsminister Gerd Müller lobte es immer wieder als "Stabilitätsanker". Doch Übergriffe auf Minderheiten, ethnische Konflikte und anhaltende Menschenrechtsverletzungen schüren die Gewalt im Land.
Sie erreichen Ulrich Delius unter u.delius@gfbv.de oder 0160/95671403.
Gesellschaft für bedrohte Völker Postfach 2024 D-37010 Göttingen Tel.: +49 551 499 06-21 Fax: +49 551 580 28 E-Mail: info@gfbv.de www.gfbv.de Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status bei den UN und mitwirkendem Status beim Europarat