Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Wahlen in Bosnien und Herzegowina (2.10.): Notwendiger Politikwechsel schwer zu erreichen
Wahlen in Bosnien und Herzegowina (2.10.):
- Bosnien bleibt entlang ethnischer Linien gespalten
- Serbische Entität sympathisiert mit Russland und erhält dafür Wahlkampfhilfe
- Desillusionierte junge Menschen verlassen das Land
Am 2. Oktober finden in Bosnien und Herzegowina die neunten allgemeinen Wahlen statt. Sie sind stark von ethnischen-nationalistischen Drohungen einzelner Entitäten und den geopolitischen Umständen geprägt. Besonders Russlands Krieg gegen die Ukraine beeinflusst die Stimmung im Land. Die Führung der serbischen Entität Republika Srpska sympathisiert offen mit Russlands imperialistischen Ambitionen: „Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, verhindert seit Jahren den Beitritt Bosniens zur Nato und zur EU. Putin unterstützt dafür seinen Wahlkampf. Noch im September haben sich die beiden getroffen“, berichtet Jasna Causevic, Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. „Die ethnische Spaltung des Landes in Entitäten macht es für Beeinflussung durch andere Staaten besonders empfänglich. Neben Serbien und Russland versuchen auch die EU-Staaten Kroatien und Ungarn Bosnien aus eigenen Interessen zu destabilisieren.“
Das Konzept ethno-nationalistischer Parteien habe einen verheerenden Effekt auf das multiethnische, multireligiöse und multikulturelle Land. Bei Wahlen bestünde die Tendenz, nach ethnischer Zugehörigkeit abzustimmen, und nicht nach Kompetenz. „Wenn man mit Hass auf andere ethnische Gemeinschaften Wahlen gewinnt, führt das zu immer extremeren Positionen. Durch die umfassenden Rechte, die die ethnischen Entitäten im Bosnischen Staat genießen, bleibt dieser gelähmt“, erklärt Causevic. „Diese festgefahrene Lage führt zu großem Frust, besonders bei jungen Menschen. Viele möchten sich nach Westen orientieren, weg von Russland. Sie sehen in Bosnien keine Zukunft und verlassen das Land.“ Zurück blieben diejenigen, die im Denken der 1990er Jahre verhaftet seien, sodass sich die Spaltung des Landes entlang ethnischer Linien fortsetze.
Laut einem aktuellen UN-Bericht ist Bosnien und Herzegowina eines der Länder mit dem höchsten Bevölkerungsrückgang. Es wird ein jährlicher Rückgang von 1,5 Prozent verzeichnet, in den letzten acht Jahren haben beinahe eine halbe Million Menschen das Land verlassen. Das leichte Wirtschaftswachstum zwischen 2018 und 2020 endete mit der Corona-Pandemie. Jetzt herrschen Inflation und eine Energie- und Lebensmittelkrise. Die schlechten Aussichten auf wirtschaftliche Entwicklung und soziale Wohlfahrt werden sich unter den gegebenen Umständen kaum verbessern.
Die Änderungen am Wahlsystem, die der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft vorgeschlagen hat, würden die Lage jedoch weiter verschlimmern: „Christian Schmidt bedient mit seinen Vorschlägen die Forderungen Kroatiens, die für Bosnien nicht weniger destruktiv sind als die serbischen. Es ist inakzeptabel und brandgefährlich, dass ein deutscher Politiker – aus welchen Gründen auch immer – die Diskriminierung von Juden und Roma in Bosnien hinnimmt und sich gleichzeitig gegenüber kroatischen Extremisten verhandlungsbereit zeigt“, so Causevic.
Sie erreichen Jasna Causevic unter j.causevic@gfbv.de oder 0551/49906-16.
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