Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Letztes Urteil des UN-Tribunals für Ex-Jugoslawien: Jetzt Lehren für die Zukunft ziehen
Letztes Urteil des UN-Tribunals für Ex-Jugoslawien:
- Jetzt Lehren ziehen und internationale Strafgerichtsbarkeit verbessern
- Statut des IStGH an zentraler Stelle zu eng gefasst
- Kurzfristig internationales Sondertribunal zu russischer Aggression nötig
Der Rechtsnachfolger des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (IRMCT) hat in Den Haag sein letztes Urteil gesprochen. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die internationalen Gerichtsverfahren für die zwischen 1991 und 1995, sowie 1999 begangenen Verbrechen systematisch zu evaluieren“, findet Jasna Causevic, Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). „Aus der Arbeit der Gerichte lassen sich wertvolle Lehren ableiten. Davon können künftige Tribunale profitieren, sei es für die Ukraine oder Myanmar. Langfristig muss die internationale Strafgerichtsbarkeit insgesamt reformiert werden.“
Das Jugoslawien- und auch das Ruandatribunal haben dabei geholfen, der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen den Boden zu bereiten. Der IStGH ist bisher allerdings nicht befugt, das Verbrechen der Aggression zu verfolgen, wenn diesem der Angriffskrieg eines Staats zugrunde liegt, der wie die Russische Föderation nicht Vertragspartei des IStGH-Statuts ist. Dem Kölner Völkerrechtler Prof. Dr. Claus Kreß zufolge wäre das nur möglich, wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dem IStGH eine solche Situation zur Ausübung seiner Zuständigkeit zuweist. Ein internationales Sondertribunal könne dem Verdacht von Verbrechen der Aggression hingegen zeitnah nachgehen. Dafür müsste die UN-Generalversammlung den Generalsekretär der UN ersuchen, mit der Ukraine den hierzu erforderlichen Vertrag abzuschließen.
Das Statut des IStGH sei an dieser zentralen Stelle zu eng gefasst und reformbedürftig. Denn der IStGH sei die ideale Institution, um Verbrechen der Aggression zu verfolgen und vor allem zu deren Verhütung beizutragen. In Anbetracht dessen plädiert Kreß für den zweigleisigen Ansatz, kurzfristig ein internationales Sondertribunal einrichten und zugleich daran zu arbeiten, die Lücke im Statut des IStGH zu schließen. Deutschland möge die „Vorzüge und die Machbarkeit eines internationalen Sondertribunals für das Verbrechen der Aggression anerkennen und eine Führungsrolle bei der Harmonisierung des Zuständigkeitsregimes für alle vier Verbrechen im IStGH-Statut übernehmen“.
Im letzten Urteil zu Verbrechen im Bosnien-Krieg in den 1990er-Jahren wurden Jovica Stanisic (72) und Franko Simatovic (73) zu jeweils 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Berufungsrichter erhöhten die 2021 in erster Instanz verhängten Haftstrafen um drei Jahre. Die beiden serbischen Geheimdienstler wurden wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Die Vorsitzende Richterin Graciela Gatti Santana sprach von „einem Meilenstein“. IRMCT-Chefankläger Serge Brammertz hob hervor, das Urteil sei ein Beweis dafür, dass in Bosnien und Herzegowina kein Bürgerskrieg, sondern ein internationaler Konflikt stattgefunden habe.
Sie erreichen Jasna Causevic unter j.causevic@gfbv.de oder 0551/49906-16.
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