Pleitgen bei Tagung der belgischen Ratspräsidenten im Europäischen Parlament: "Schengener Abkommen für den Satelliten-Rundfunk"
Brüssel/Köln (ots)
Der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen hat bei einer Rede vor Medienpolitikern und Sendervertretern heute im Europäischen Parlament ein "Schengener Abkommen für den Satelliten-Rundfunk" gefordert, um "die große Idee vom Fernsehen ohne Grenzen zu retten". Grenzüberschreitendes Fernsehen ermögliche "allen Bürgern Zugang zu den vielfältigen Kulturen Europas". Bei der Revision der Fernseh-, Kabel- und Satelliten-Richtlinien könne die Chance genutzt werden, "über das Medium Nummer Eins die europäische Integration weiter zu fördern". Während auf dem Boden viele Grenzen gefallen seien, würden gegenwärtig "Barrieren im Weltraum aufgerichtet". Die flächendeckende Verschlüsselung der Fernsehprogramme, so Pleitgen, "parzelliert Europa in viele digitale DDRs". Diese Entwicklung des Fernsehens bringe die Europäer weder politisch noch kulturell näher zusammen."
In der analogen Welt, so der ARD-Vorsitzende, hätte die Satellitenübertragung dazu geführt, dass die aus einem Land übertragenen Programme auch in angrenzenden Ländern empfangen werden konnten. Die Europäische Gemeinschaft erkenne seit geraumer Zeit - so in der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" (1989) und in der sog. Kabel- und Satellitenrichtlinie (1993) - dass grenzüberschreitender Rundfunk "eines der wichtigsten Mittel zur Förderung der Ziele der Gemeinschaft" sei. Fernsehen über die Grenzen hinweg fördere die Kenntnis anderer Länder, die Beherrschung von Fremdsprachen und dadurch auch die Arbeitskräftemobilität. Der grenzüberschreitende Informationsaustausch habe zudem eine menschenrechtliche Dimension. Das Recht, Informationen und Ideen zu empfangen und weiterzugeben, sei in der Europäischen Grundrechtscharta und in der Europäischen Menschenrechts-Konvention verankert.
Nach Pleitgens Worten war die "Verwirklichung der medienpolitischen Zielsetzungen Europas niemals so gefährdet wie heute". Es sei zu erwarten, dass mit dem Beginn der digitalen Rundfunkübertragung Rechteinhaber generell verlangen würden, "alle Fernsehsignale, die über Satellit in Europa übertragen werden, zu verschlüsseln". In der digitalen Welt könnten Rundfunkveranstalter ihre Zuschauer und Zuhörer nicht mehr direkt erreichen. Empfangsgeräte, ihre Software und deren Kontrolleure seien zu Hindernissen geworden. Um die Rundfunkprogramme nicht gänzlich unter die Kontrolle fremder Unternehmen gelangen zu lassen, sei die Durchsetzung eines "europäischen Standards für das digitale interaktive Fernsehen" entscheidend. Die volle Interoperabilität aller Plattformen und aller Dienste ermögliche erst den Zugang aller europäischen Bürger zu allen interaktiven Fernsehdiensten in Europa. Aus sich heraus, so der ARD-Vorsitzende, werde der Markt dieses Ergebnis nicht hervorbringen, gegenwärtig sei "ein klassischer Fall von Marktversagen" zu beobachten.
Pleitgen referierte im Europäischen Parlament im Rahmen einer medienpolitischen Tagung der belgischen Ratspräsidentschaft. Die zweitägige Veranstaltung mit Medienpolitikern und Sendervertretern - unter anderem Marc Tessier, President France Television und Caroline Thomson, Director Public Policy BBC, Arne Wessberg, EBU-Präsident - widmet sich heute und morgen dem Thema "Die öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Medien angesichts des Phänomens der Dienstleistungskonzentration und - diversifizierung". Eingeladen hat Richard Miller, Minister für Kultur und Audiovisuelles der wallonischen Gemeinschaft in Belgien und federführender Minister für diese Bereiche im Rahmen der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft der Belgier.
Rückfragen: ARD-Sprecher Rüdiger Oppers, Tel. 0221/220-1867
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