Börsen-Zeitung: Vorbild Deutschland, Kommentar von Gerhard Bläske zu den Plänen der neuen französischen Regierung, die Mehrwertsteuer anzuheben
Frankfurt (ots)
Deutschland mit seinen hohen Wachstumsraten ist für Frankreich ein Vorbild, dem es nachzueifern gilt. Warum also nicht auch Maßnahmen übernehmen, die im Nachbarland funktionieren? Die neue französische Regierung will deshalb eine Anhebung der Mehrwertsteuer prüfen. Um bis zu 5 Prozentpunkte könnte der mit 19,6% ohnehin schon hohe Satz - zunächst in einer Erprobungsphase - angehoben werden, deutete Premierminister François Fillon jetzt an. Im Gegenzug sollen die Sozialabgaben für Unternehmen gesenkt werden.
Wenige Tage vor dem zweiten Wahlgang der Parlamentswahlen ist das endlich einmal ein Wahlkampfthema für die arg gebeutelte Linke des Landes. Es ist gerade mal ein paar Tage her, dass die Regierung Steuer- und Abgabensenkungen in Höhe von jährlich rund 15 Mrd. Euro bekannt gegeben hat, die vor allem dem Mittelstand und den Besserverdienenden zugute kommen. Da ist es berechtigt zu fragen, ob da eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet, wenn nun ausgerechnet die Mehrwertsteuer angehoben werden soll, die vor allem die Schlechterverdienenden trifft. Auch die Frage, ob Sarkozy nach der Kritik aus Brüssel an seiner großzügigen Ausgabenpolitik nun Haushaltslöcher stopfen will, muss gestellt werden.
Sarkozy ist zugute zu halten, das Problem der hohen Belastung der französischen Wirtschaft erkannt zu haben. Er will die Kosten senken, um weitere Produktionsverlagerungen zu stoppen, aber auch Billigimporte verteuern. Doch der neue Präsident wäre glaubwürdiger, wenn er auch sonst die richtigen Prioritäten setzen, den Aufschwung zur Senkung des hohen Defizits nutzen und die mit gigantischen Fehlbeträgen kämpfende Sozialversicherung sanieren würde, statt Steuergeschenke zu verteilen.
Man bekommt den Eindruck, dass er mit der einen Hand Löcher stopft, die er mit der anderen aufreißt. Denn natürlich soll ein Teil der Einnahmen aus einer Mehrwertsteuererhöhung in die Sanierung der Sozialkassen fließen, deren Löcher durch die geplanten Abgabensenkungen für Unternehmen und auf Überstunden erst mal größer werden. Wenn sich Sarkozy schon von Deutschland inspirieren lässt, dann sollte er dies auch mit Blick auf Ausgabensenkungen und Haushaltssanierung tun. Doch die Gesundung der Finanzen hat für ihn keine Priorität, und das ist kein gutes Zeichen für Europa.
(Börsen-Zeitung, 14.6.2007)
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