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Börsen-Zeitung: Inflation bestimmt die Agenda, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Die anziehende Teuerung wird immer mehr zum
beherrschenden Thema an den Kapitalmärkten. Dass sich hier ein 
potenziell sehr gefährliches Problem zusammenbraut, hat zuletzt die 
Europäische Zentralbank (EZB) den Marktakteuren überdeutlich vor 
Augen geführt. Von einer Leitzinssenkung im Euroraum ist schon lange 
keine Rede mehr. Die Verlautbarungen der Notenbank haben den Experten
jedoch die Sprache verschlagen. Eine Leitzinserhöhung, die von 
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet angedeutet wurde, und zwar bereits 
für den nächsten Monat, hat bislang kaum jemand auf der Rechnung 
gehabt.
Allerdings wird niemand behaupten können, dass die Ankündigung 
nicht nachvollziehbar ist. Denn ungeachtet aller konjunkturellen 
Schwächesignale zeigen die Inflationsindikatoren derzeit nach wie vor
nach oben. Fast wie von der EZB bestellt, hat der Ölpreis am Freitag 
seine Schwäche abgelegt und um mehr als 5 Dollar zugelegt. Die 
Notenbank muss ihre Glaubwürdigkeit wahren und kann es sich nicht 
erlauben, bei weiter stark anziehenden Energie- und 
Nahrungsmittelpreisen mit all den potenziellen Folgen in Form von 
Zweitrundeneffekten tatenlos zuzuschauen. Der Aufstand der 
Milchbauern illustriert die Dynamik. Die drastisch gestiegenen Preise
für Energie und Tierfutter haben vor allem die kleineren Betriebe in 
eine existenzbedrohende Lage gebracht. Als Folge ihres Aufstands 
müssen nun die Konsumenten höhere Preise für Milchprodukte zahlen, 
was ein weiterer Schlag insbesondere für die Bezieher kleinerer 
Einkommen ist. Es ist daher absehbar, dass sich die Bereitschaft, 
sich mit moderaten Tarifabschlüssen abzufinden, in Grenzen halten 
wird, wenn sich die Lebenshaltungskosten weiterhin stark erhöhen.
Ob der Ankündigung auch die Tat folgen wird - die meisten Experten
erwarten dies jetzt -, wird nicht zuletzt von den Inflationsdaten 
abhängen. Es kann daher erwartet werden, dass sich ihr Einfluss auf 
die Kursbildung an den Kapitalmärkten weiter verstärken wird. 
Insofern hat es der Datenkalender der nächsten Tage in sich. Am 
Mittwoch werden die Verbraucherpreiszahlen aus Frankreich und Spanien
vom Mai veröffentlicht; die Zahlen aus Deutschland schließen sich am 
Freitag an. Auch außerhalb Europas werden wichtige 
Inflationskennzahlen veröffentlicht. Am Donnerstag legt China Zahlen 
vor, gefolgt am Freitag von den USA. Zudem werden die Akteure mit 
großem Interesse den "Beige Book" genannten Konjunkturbericht der Fed
(Mittwoch) und den Monatsbericht der EZB (Donnerstag) nach Hinweisen 
auf Zinsabsichten durchforsten.
Entlastung von der Inflationsseite ist vorerst nicht zu erwarten, 
so dass sich die Anleihemärkte in nächster Zeit weiterem Druck 
ausgesetzt sehen dürften. Allerdings sind auch die Aussichten für die
Aktienmärkte in der nächsten Zeit nicht allzu gut. Denn neben dem 
eingetrübten Inflations- und Zinsausblick kommt für Dividendentitel 
noch hinzu, dass sich die nun rund ein Jahr alte Finanzkrise wieder 
verstärkt bemerkbar macht. Die Hoffnungen, dass die Krise weitgehend 
ausgestanden sein könnte, haben jedenfalls wieder einen empfindlichen
Dämpfer erhalten.
So hat zuletzt u.a. der Baufinanzierer Bradford&Bingley mit einer 
Gewinnwarnung und einem kräftig reduzierten Bezugspreis für seine 
geplante Kapitalerhöhung geschockt. Rund 8% Tagesverlust kostete 
kürzlich dann Crédit Agricole die Bekanntgabe eines ebenfalls 
deutlich nach unten überraschenden Bezugspreises. Dieses Thema wird 
in den kommenden Monaten weiterhin für Unruhe sorgen. Große Institute
haben zuletzt vorausgesagt, dass weitere milliardenschwere 
Wertberichtigungen zu erwarten sind und sich außerdem der 
Preisverfall am amerikanischen Immobilienmarkt fortsetzen wird. Damit
dürften die Risiken für die Aktienmärkte vorerst weiterhin die 
Chancen überwiegen.
Jedoch dürfen die stützenden Faktoren nicht aus den Augen verloren
werden. Die Bewertung der Aktienmärkte ist relativ moderat, der Boom 
in den Schwellenländern wird etwas abgebremst, geht jedoch nicht dem 
Ende entgegen. Weiter nachgebende Notierungen werden daher 
Einstiegsgelegenheiten schaffen, auf die es sich vorzubereiten gilt.
(Börsen-Zeitung, 7.6.2008)

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