Börsen-Zeitung: Versagende Banker Kommentar zur Bankenkrise, von Claus Döring.
Frankfurt (ots)
Mittlerweile im Wochenrhythmus stürzt die Reputation der Banken und ihrer Manager. Spätestens nach dem zurückliegenden Wochenende dürfte im öffentlichen Rating die unterste Stufe des Junk-Status erreicht sein. Dass die Bundesregierung binnen Wochenfrist ein zweites Mal gezwungen sein würde, beim selben Institut eine Rettungsaktion zu koordinieren, hätte sich selbst der krisenerfahrene Bundesfinanzminister nicht träumen lassen.
Erst hat der Vorstand die Aktionäre hinters Licht geführt, dann die zur Rettung angetretene Kreditwirtschaft einschließlich Politik und Öffentlichkeit. Mitte August - die Finanzkrise war gerade ein Jahr alt geworden - behauptete der Vorstand der Hypo Real Estate (HRE) im Aktionärsbrief: "Das Liquiditätsrisiko wird auf täglicher Basis überwacht, unterstützt durch zukunftsgerichtete Stresstests. Selbst unter einem Worst-case-Szenario ist dadurch sichergestellt, dass die Hypo Real Estate Gruppe sowie ihre Tochterbanken jederzeit uneingeschränkt zahlungsfähig sind." Zu Recht wird inzwischen öffentlich nach der Verantwortung der Vorstände und Aufsichtsräte gefragt, nach den Tätern also, während noch vor wenigen Tagen die HRE als Opfer der Vertrauenskrise dargestellt wurde.
Wenn etwas das Vertrauen untergräbt, dann sind es die Falschinformationen. Wie sehr dadurch nicht allein das Vertrauen unter den Banken selbst, sondern auch das der Bürger und der Politiker zu den Banken erschüttert ist, wird daran ersichtlich, dass die Bundeskanzlerin es für nötig hielt, den deutschen Sparern über die Fernsehschirme zur besten Sendezeit die Sicherheit ihrer Einlagen zu garantieren.
Auf was und wen ist noch Verlass in diesen Zeiten? Auf den Staat, lautet die Botschaft, die die Bundesregierung mit ihrer Bürgschaft und Rettungsaktionen sendet. Auf den Staat, lautet die Botschaft, die führende Banker mit ihrem Ruf nach einem europäischen Hilfsprogramm à la USA und nach einem Risikoschirm für alle Kreditinstitute senden. Auf den Staat, lautet die Botschaft, wenn jetzt aus Wissenschaft und Praxis einer weitgehenden Regulierung des Finanzsektors das Wort geredet wird. Ist es nicht erst wenige Wochen her, dass es hierzulande nach den Skandalen um IKB, WestLB, SachsenLB und KfW zum Allgemeinwissen an Stammtischen und in Hörsälen zu gehören schien, der Staat habe als Banker versagt? Nun schlägt das Pendel zurück.
An welcher Stelle soll man das Pendel anhalten, wie viel Staat braucht der Finanzsektor? Sich die USA zum Vorbild zu nehmen wäre verkehrt. Dort hat der Staat einschließlich Notenbank und Börsenaufsicht kläglich versagt und mit seiner diskretionären Politik die Finanzkrise eingebrockt. Dabei konnte sich die US-Regierung auf die angeblich besten Thinktanks, die renommiertesten Ökonomen und den gleichsam Guru-Status genießenden Notenbank-Chef Alan Greenspan stützen. Sie alle sind grandios gescheitert, weil sie glaubten, Wirtschaft und Konjunktur, Wachstum und Wohlstand in ihrem Sinne lenken zu können. Diese Anmaßung produzierte bis in diese Tage eine Fehlentscheidung nach der anderen: der Insolvenz von Lehman Brothers, die den Interbankenmarkt zum Erliegen und Fortis, HRE und Dexia erst so richtig in die Bredouille brachte, folgte das 700 Mrd. Dollar schwere Bail-out
So groß jetzt die Sehnsucht nach einem vom Bundesfinanzminister ins Gespräch gebrachten "Plan B", einem großen Risikoschirm gegen jedwede Gefährdung sein mag - auch das wäre der falsche Weg. Denn jede Bankenschieflage war und ist anders: mal ist das Kreditrisiko, mal das Marktrisiko, mal das Liquiditätsrisiko oder mal ein operationales Risiko für eine Notlage ursächlich. Wenn der Staat sprich Steuerzahler einspringen muss, dann bitte nur beim einzelnen Institut und befristet. Ein genereller staatlicher Risikoschirm mag für vorübergehendes Aufatmen bei den Betroffenen sorgen. Nachhaltiges Vertrauen entsteht jedoch erst, wenn Banken mit ihrem Geschäftsmodell dem Orkan der Finanzkrise trotzen, wenn ihre Kapitalausstattung solide bleibt, ihr Zahlenwerk transparent und ihr Management verlässlich.
Der Beitrag des Staates zur Vertrauensbildung besteht darin, kalkulierbare Rahmenbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Das klingt banal und wie aus dem Lehrbuch - ist es aber nicht. Die Einlagensicherung ist eine solche verlässliche Rahmenbedingung, auch schon vor der Garantie der Kanzlerin. Die Sicherstellung der Liquiditätsversorgung und eine auf den Geldwert verpflichtete Geldpolitik gehören ebenso dazu wie die Regeln von Basel II oder eine Finanzaufsicht, die unabhängig von nationalen oder sektoralen Lobbygruppen den Schutz der Anleger und die Stabilität des Finanzsystems in den Vordergrund stellt.
Sicher sind Korrekturen nötig, vor allem in der Regulierung. Aber man muss der Versuchung widerstehen, in Zeiten der Panik die Politik eine neue Finanzarchitektur entwerfen zu lassen. Das Versagen einzelner Bankvorstände, so schlimm es sein mag, ist nicht das Versagen des gesamten Systems hierzulande.
(Börsen-Zeitung, 7.10.2008)
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