Börsen-Zeitung: Im Abwärtsstrudel, Kommentar von Stefan Kroneck zum Quartalsergebnis von Siemens
Frankfurt (ots)
Die von Siemens präsentierten robusten Quartalszahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Münchener Mischkonzern mitten im Abwärtsstrudel der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise befindet. Vor allem im Industriesektor, dem mit Abstand größten Bereich des Unternehmens, brechen die Aufträge weg.
Für viele Firmen mit ähnlicher Geschäftsausrichtung wäre dies Warnung genug, um von bisherigen Ergebniszielen abzurücken. General Electric lieferte dafür anschauliche Beispiele. Wie der größte Siemens-Wettbewerber nahmen zuletzt viele Konzerne reihenweise ihre Prognosen zurück.
Diesem Trend folgt aber Siemens-Vorstandschef Peter Löscher nicht. Trotz eingetrübter Geschäftsaussichten ist er nach wie vor davon überzeugt, dass Siemens die Ertragsvorgaben für 2009 und die mittelfristigen Renditeziele erreicht, wenngleich er mit rhetorischen Verrenkungen seinen Ausblick vorsichtiger formuliert. Je länger aber die Konjunkturschwäche andauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Konzernspitze von der bitteren Realität bald eingeholt wird. Damit setzt Löscher seine Glaubwürdigkeit an der Börse ein weiteres Mal aufs Spiel. Im März 2008 hatte er bereits die Investoren mit hohen Projektabschreibungen schockiert, was bei der Aktie ein Kursdesaster auslöste. Diese leidvolle Erfahrung hinterließ Spuren. Kaum ein Analyst glaubt ihm jetzt noch, dass der Konzern im laufenden Geschäftsjahr das operative Ergebnis der drei Kernsektoren von 6,5 Mrd. auf eine Bandbreite von 8 bis 8,5 Mrd. Euro erhöht, und das beim einem womöglich stagnierenden Umsatz (!). Die Konsensusschätzung des Marktes liegt bei 7,3 bis 7,5 Mrd. Euro, womit Siemens immer noch ein satter Zuwachs zugetraut wird.
Klar, Löscher verfügt über Manövriermasse, um die Analysten später doch noch eines Besseren zu belehren. So ist Siemens mit einem Auftragsbestand von 85 Mrd. Euro nach wie vor gut gepolstert, um in diesem Jahr die Krise einigermaßen gut zu überstehen. Auch im Einkauf herrscht noch Spielraum, hier und da an den Kosten zu drehen. Notfalls müsste das laufende Sparprogramm erweitert werden.
Wegen der teils dramatisch rückläufigen Neubestellungen in den Kernmärkten kommt es aber spätestens 2010 für Siemens knüppeldick. Daher ist Löschers Festhalten an den Margenzielen verwunderlich.
(Börsen-Zeitung, 28.1.2009)
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