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Börsen-Zeitung: Die Angst vor dem Risiko, Börsenkommentar "Marktplatz" von Martin Hampel

Frankfurt (ots)

Das Wort ist in aller Munde: Risikoaversion
scheint an den Finanzmärkten derzeit als zentrales Problem 
identifiziert worden zu sein. Die Investoren, große institutionelle 
wie kleine private, scheuen das Risiko und halten ihr Geld zusammen. 
In der Tat halten die großen Fonds aktuell überdurchschnittlich große
Cash-Positionen, und Otto Normalverbraucher, so er denn überhaupt 
etwas für die hohe Kante hat, packt es in den Sparstrumpf oder aufs 
Tagesgeldkonto. Riskante Assets sind derzeit offenbar ebenso tabu wie
kräftiger Konsum. Die Angst und die Verunsicherung der Verbraucher 
haben, wie die jüngsten BIP-Schätzungen zeigen, der europäischen 
Wirtschaft einen herben Schlag versetzt. Die Angst vor einer 
schlimmen Wirtschaftskrise ist offenbar zur sich selbst erfüllenden 
Prophezeiung geworden.
Die Risikoscheu verstärkt sich auch an den Finanzmärkten selbst. 
Wer heute nicht unbedingt handeln muss, der tut es nicht. Für den 
Devisenmarkt bedeutet das beispielsweise, dass die Volumina extrem 
dünn sind und größere Umschichtungen entsprechend zu großen 
Ausschlägen führen. Die dadurch erhöhte Volatilität verunsichert die 
Investoren, weshalb sie sich zurückhalten. Deshalb bleiben die 
Volumina klein und so weiter und so fort. Da hilft es auch wenig, 
dass es Währungen gibt, die von der Angst vor dem Risiko profitieren,
so wie es der Yen und lange Zeit auch der Dollar getan haben. Denn 
kaum erblickt ein Investor eine Chance auf einem anderen Markt und 
schichtet die Währungen um, flattern die Kurse, Anleger werden nervös
und suchen sich einen sicheren Hafen.
Am Geldmarkt hat sich zumindest die Lage trotz nachgebender Sätze 
nicht beruhigt. Die Handelsvolumina sind klein, und so manche Adresse
mit Refinanzierungsbedarf bekommt kein Geld, egal wie hoch sie 
bietet. Die Angst vor dem Kontrahentenausfall ist zu groß, und da 
Liquidität den Häusern wichtiger ist als Rentabilität, horten sie ihr
Geld und legen es über Nacht in die Einlagefazilität der Europäischen
Zentralbank. Die versucht weiterhin den Geldmarkt zu fluten, was zu 
der paradoxen Situation führt, dass sich zu viel Geld im System 
befindet - und doch für manchen unerschwinglich ist. Dass der 
Drei-Monats-Euribor am Freitag auf ein Rekordtief gefallen ist, kann 
zwar als Zeichen für eine gewisseEntspannunginterpretiert werden, 
doch die Risikoaufschläge sind nach wie vor enorm hoch.
Am Anleihemarkt herrscht ein vergleichsweise vielfältiges Bild. 
Aus Angst, ihr Geld wegen eines Ausfalls zu verlieren, haben sich die
Anleger zuletzt auf sichere Assets wie Bundes- oder, besser noch, 
weil dollardenominiert, US-Staatsanleihen gestürzt. Deren reale 
Rendite ist wegen dieses Runs mittlerweile negativ, das heißt, die 
Investoren verlieren Geld - nicht weil das Asset zu riskant ist, 
sondern weil alle glauben, dass es bombensicher ist. Wer sich von 
seinen Staatsanleihen trennt, kann zwar bei den aktuellen Kursen 
gutes Geld verdienen, sieht sich aber dann mit der kniffligen Frage 
konfrontiert, wo er es anlegen soll.
Anders verhält es bei Unternehmensanleihen. Die jüngsten großen 
Emissionen wie etwa Siemens oder RWE gingen weg wie geschnitten Brot 
- dafür durften sich die Unternehmen aber auch bei den Kupons nicht 
lumpen lassen. Immerhin ist es ein gutes Zeichen, dass der Markt 
wieder an Schwung gewinnt.
Der stetige Anstieg des Goldpreises darf angesichts der 
Verunsicherung nicht verwundern - das Edelmetall ist ein Asset, das 
quasi nichts bietet außer einem eigenen Zauber und vor allem 
Sicherheit. Es gibt keine Zinsen, der Investor ist kein Anteilseigner
eines Unternehmens, aber es hat immer einen Wert. Ob die aktuellen 
Notierungen eher ein Grund zum Kaufen oder zum Verkaufen sind, 
darüber kann wahrscheinlich nur die Geschichte richten.
Dass die Angst vor dem Risiko aktuell den Weg aus der Krise 
erschwert, ist als Diagnose allein gleichwohl wenig hilfreich. Ein 
Umdenken der Investoren zu erwarten, ist zu viel verlangt. Immerhin 
hat die Krise ihren Ursprung darin genommen, dass an den 
Finanzmärkten immer größere Risiken in Kauf genommen wurden, um 
höhere Renditen zu erwirtschaften. Dass jetzt niemand mehr den Mut 
für riskante Assets aufbringt, lässt sich wohlwollend auch als 
Läuterung interpretieren.
(Börsen-Zeitung, 14.2.2009)

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