Börsen-Zeitung: Bestrafte Sparer, Kommentar zur Zinspolitik von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Die Europäische Zentralbank (EZB) schwächt mit ihrer auf die Bekämpfung der Staatsschuldenkrise gerichteten Geldpolitik die Mehrzahl der Banken, die sie als Aufsichtsinstanz bald überwachen wird und mithin gerade stärken müsste. Obendrein beschwören die Hüter des Euro mit ihren Niedrig-, Null- und künftig womöglich gar Negativzinsen volkswirtschaftliche Verwerfungen und eine Altersvorsorgekrise herauf - mit unabsehbaren auch sozialen und politischen Folgen.
Es ist erfreulich, dass sowohl Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, als Präsident des Bankenverbandes wie auch der Branchenprimus selbst in der Person von Privat- und Geschäftskundenvorstand Rainer Neske mit unterschiedlichen Akzentuierungen, aber jeweils in aller gebotenen Deutlichkeit auf diese Zusammenhänge hinweisen. Erstens lässt das aktuelle Zinsniveau unverkennbar die Ertragsbasis von Banken und Sparkassen erodieren, die zugleich die hohen Kosten der Regulierung tragen und Eigenkapital aufbauen müssen. Weil die internen Einsparpotenziale weitgehend ausgeschöpft sind, wird die Branche somit in einen verschärften Konzentrationsprozess hineingetrieben, der ökonomisch, regulatorisch und politisch nicht gewollt sein kann. Man beklagt ja nicht von ungefähr, manche Banken seien zu groß, um sie scheitern lassen zu können. Dann ist es doch absurd, die Konsolidierung auch noch durch die Zinspolitik zu forcieren und so "nebenbei" den Wettbewerb zu beschränken.
Zweitens muss es auf Dauer verhängnisvolle Auswirkungen etwa auf die Finanzierung der Wirtschaft und die private Altersvorsorge haben, wenn sich das Sparen nicht nur nicht mehr lohnt - das ist, real betrachtet, längst der Fall -, sondern vielleicht sogar durch Negativzinsen zusätzlich bestraft wird. Drittens ist es ein gewöhnungsbedürftiges Verständnis von Geldpolitik, wenn Banken durch Strafzinsen gezwungen werden sollen, Kredite zu vergeben. Soweit in der Euro-Peripherie tatsächlich Nachfrage besteht: Par ordre du mufti vergebene Kredite sind genau diejenigen, die den Banken und den Steuerzahlern dann in Form von Abschreibungen, Verlusten und Rekapitalisierungen vor die Füße fallen. Im Übrigen erinnert solcher Dirigismus auf fatale Weise an die überwunden geglaubte Planwirtschaft im vormaligen Ostblock.
All das kann nicht ohne weitreichende politische Folgen bleiben. "Wir stehen wenige Monate vor einer Europawahl", sagt Neske. Und wenn er die Belastung der deutschen Sparer erwähnt, hat das rein gar nichts mit den im Eurotower vernommenen "nationalistischen Tönen" zu tun.
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