Börsen-Zeitung: Schwarm schwarzer Schwäne, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Frankfurt (ots)
Als Anleger muss man schon spekulativ auf steigende Kurse bei Bundesanleihen gewettet, aggressiv auf einen fallenden Dax oder steigende Volatilität gesetzt haben, um der abgelaufenen Handelswoche etwas Positives abgewinnen zu können. Sicher, Performance ist immer eine Frage der Positionierung, aber klar ist auch: Die Finanzmärkte sind innerhalb weniger Tage wieder in den Krisenmodus gerutscht. Scheinbar augenfällig ist dies am kräftigen Anstieg der Volatilität abzulesen. Richtig ist, Vola-Indizes wie Vix und VDax-New sind in die Höhe geschossen, dies aber auch von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau, so dass sie sich eben auch normalisierten. Andere Indikatoren sprechen eine deutlichere Sprache: Der regelrechte Absturz der Renditen von als sicher - und liquide - erachteten Staatsanleihen aus Deutschland und den USA zeigt ein hohes Maß an Verunsicherung unter Investoren.
Flucht aus Aktien
Zudem gab es massive Umschichtungen aus Aktien heraus. Die Abflüsse aus europäischen Aktienfonds erreichten dieser Tage laut Bank of America Merrill Lynch einen Rekordwert von 5,7 Mrd. Dollar. Das Dax-Wochentief von 8355 Punkten lag 17% unter dem Jahreshoch von Juni. Was für ein Crash!
Was war passiert? Der jüngste Kursrutsch ging einher mit schwachen US-Einzelhandelsdaten. Inzwischen gelten diese aber nur als der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn die Krise deutete sich an, unter anderem durch einen Sprung der Volatilität am Devisenmarkt und starken Kursverlusten bei den risikosensitiven Hochzinsanleihen.
Ein Gewitter mit Ansage? Keinesfalls. Der Weg zur US-Zinswende würde volatil werden, nicht alle Konjunkturdaten würden für steigende Zinsen sprechen. Das war zu erwarten. Viele Marktteilnehmer hatten allerdings eine Reihe weiterer Risiken nicht auf dem Zettel bzw. wurden von deren unerwartetem Auftreten überrascht. In der Summe führte dieser Schwarm an schwarzen Schwänen zum jüngsten Absturz: Erstens: Geopolitik. Die Vielzahl an Krisen - unter anderem Ukraine, IS-Terror, Hongkong - verunsichert.
Zweitens: Deutschland selbst gilt einer wachsenden Zahl an Marktteilnehmern inzwischen als Problem, und das nicht nur wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland. Es überrascht viele nicht nur, dass die bisherige europäische Konjunkturlokomotive eine Störung im Betriebsablauf hat. Für Irritationen sorgt vor allem der Gleichmut, mit dem die Regierenden in Berlin dies bislang zu beobachten scheinen.
Drittens: Euro-Krise 2.0. Nüchtern betrachtet ist es so weit noch nicht, zumal die Europäische Zentralbank, um mit den Worten ihres Präsidenten zu sprechen, bisher alles tut, was für den Erhalt des Euro notwendig ist. Wenn jedoch Analysten und Brokerhäuser in ihren Marktkommentaren von der Euro-Krise 2.0 schreiben, so kann sich diese Prophezeiung von selbst erfüllen.
Viertens. Griechenland. Ja, Griechenland, wieder einmal. Und das gleich doppelt. Die Regierung in Athen betrieb ein Hasardeurspiel mit den Gedanken über einen Ausstieg aus dem Rettungsprogramm. Zehnjahres-Anleiherenditen von 9% waren die Antwort. Doch nicht genug, das Land steht jederzeit vor Neuwahlen, die reform- und sparfeindliche Kräfte an die Regierung bringen und das Land aus dem Euro treiben dürften. Fünftens: Ebola. Bei jedem Einzelnen wächst die Angst vor einer Ansteckung. Wer in Panik gerät, wird kaum risikofreudig investieren.
Illiquider Sekundärmarkt
Sechstens: Liquidität: Sicher, die Notenbanken stellen genug Liquidität zur Verfügung. Im Anleihe-Sekundärmarkt sieht es jedoch anders aus. Der Absturz der Treasury-Renditen ging offenbar auch auf eine geringe Liquidität am Sekundärmarkt zurück. Investmentbanken haben wegen strengerer Regulierung ihre Handelsbestände gesenkt. Wenn dies schon bei sinkenden Renditen zum Problem wird, dann lässt dies für einen Renditeanstieg im Fall einer US-Zinswende Schlimmes erwarten.
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