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Börsen-Zeitung: Risiko Politik,Kommentar zu Siemens von Michael Flämig

Frankfurt (ots)

Manchmal hängt der Himmel voller Geigen. Für Siemens war am Mittwoch so ein Tag. Die Aktie pirschte sich auf wenige Cent an den Höchststand aus dem Jahr 2000 heran, die Marktkapitalisierung war nur ein paar Prozent vom bisherigen Rekordwert von 101 Mrd. Euro im Jahr 2007 entfernt, der künftige Aufsichtsratschef konnte ausgerufen werden, und viele Aktionäre lobten das Management auf der Hauptversammlung in den höchsten Tönen.

Die Anteilseigner konnten es sich sogar leisten, die Petitesse der gestrichenen Tickets für die Anreise mit dem öffentlichen Nahverkehr zu einem Debattenthema zu stilisieren. Nicht zuletzt: Konzernchef Joe Kaeser genehmigte sich den Luxus, sich aus dem Rampenlicht zu nehmen, indem er erstmals auf einer Quartalspressekonferenz andere Vorstandskollegen als den Finanzchef auftreten ließ. Mehr Wohlgefühl war selten.

Die Streicheleinheiten der Aktionäre sind berechtigt. Kaeser und seine Mannschaft machen fast alles richtig. Dies ist schwerer, als es aussieht. Denn es erfordert nicht nur exakte Analyse und korrekte Schlussfolgerungen, sondern auch hohen persönlichen Einsatz. In Zeiten, in denen Infrastrukturinvestitionen Mangelware sind, muss die erste Garde ins Feld, auch um Aufträge zu akquirieren. Sicherlich: Dies ist im Gehalt inkludiert. In der Vergangenheit hat dies aber nicht jeder Vorstand so ausgeprägt umgesetzt. Allerdings gibt es nichts Gefährlicheres für die Zukunft als den aktuellen Erfolg. Weniger Konsequenz aber ist keine Option, weil Siemens natürlich weiterhin Verbesserungsbedarf hat. Strategisch gilt dies beispielsweise für das Zuggeschäft. Der neue Weltmarktgigant aus China wird die Münchner an die Wand drücken, wenn ihnen keine Fusion gelingt. Organisatorisch ist die Siemens-Führung nicht international genug aufgestellt. Im Alltagsgeschäft gilt es jene Sparten auf Vordermann zu bringen, die margenschwach sind. Kulturell wird vielerorts noch kein offenes Wort gepflegt, das das Hinterfragen auch von fehlerhaften Entscheidungen der Chefs ermöglichen würde. Finanztechnisch sollte das Geschäft kalkulierbarer werden, so dass Jahresprognosen nicht so schnell korrigiert werden müssen.

Trotz dieser Mängelliste: Das größte Risiko sind aktuell exogene Schocks. Als Infrastrukturanbieter wird Siemens besonders getroffen durch politische Instabilität. Ob man dies mag oder nicht: In diesem Umfeld steigt die Bedeutung einer Unterstützung durch die Berliner Politik bei der Auftragsakquise. Auch nach dem Wechsel an der Spitze des Wirtschaftsministeriums sollte diese Rückendeckung anhalten.

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