Börsen-Zeitung: Aktionismus à la Scholz, Kommentar zum Solidaritätszuschlag von Archibald Preuschat
Frankfurt (ots)
Wird eine Steuer erst einmal eingeführt, dann ist sie nur schwer wieder aus der Welt zu bekommen. Bestes Beispiel ist die Sektsteuer aus dem Jahr 1902. Noch heute sprudelt es bei jedem Knall eines Sektkorkens in der Staatskasse. Nun ist der Solidaritätszuschlag keine Steuer, sondern eine "Ergänzungsabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer". Aber auch sie hielt sich knapp drei Jahrzehnte. Jetzt soll sie im übernächsten Jahr wegfallen, na ja, fast: 90 Prozent der Bevölkerung sollen ab Januar 2021 keinen "Soli" mehr zahlen. Weitere 6,5 Prozent zumindest nicht mehr so viel wie jetzt. Genau da liegt das Problem.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) behauptet vor laufenden Kameras keck, es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass für die 3,5 Prozent der Top-Verdiener der Solidaritätszuschlag auch im vierten Jahrzehnt seiner Geschichte anfällt, schließlich könnten sie es sich "leisten". Natürlich können sich die Spitzenverdiener den Solidaritätszuschlag leisten, genauso könnten sie es sich leisten - sagen wir - 80 Prozent Einkommenssteuer zu zahlen, ohne in Armut zu fallen. Denkbar ist vieles, aber ist es gerecht? Lohnt sich Leistung in diesem Land jetzt doch nicht mehr? Etwa für Unternehmer, die etwas wagen und so auch Arbeitsplätze schaffen?
Was Scholz, der ja auch an die SPD-Spitze drängt, als Gesetzesentwurf zum "Soli" durchgeboxt hat, ist nichts anderes als ein Umverteilungsprogramm. Vielleicht glaubt er kurz vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen und Thüringen damit punkten zu können, Steuerzahler zu entlasten. Als Finanzminister müsste er wissen, dass der Solidaritätszuschlag die denkbar ungeeignetste Stellschraube für eine Umverteilung ist.
Denn schon seit vielen Jahren wird diskutiert, ob die 5,5-prozentige Ergänzungsabgabe überhaupt mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Diverse Finanzgerichte sehen das nämlich nicht so, auch wenn die Karlsruher Verfassungsrichter bislang ihre schützende Hand über den "Soli" gehalten haben und Scholz sich überzeugt zeigt, dass sie das auch in Zukunft tun werden.
Die Superreichen, die sich laut Scholz den "Soli" leisten können, können sich auch leisten, gegen ihn zu klagen - und das werden sie. Jetzt, wo Solidarität nur noch von 3,5 Prozent der steuerzahlenden Bevölkerung eingefordert wird. Scholz Idee ist ein Musterbeispiel von politischem Aktionismus. Und sie belastet die Koalition, denn in den Reihen der Union hat man sich zu Recht für die Abschaffung des "Soli" stark gemacht, und zwar für alle. Das wäre gerecht (gewesen).
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