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Jahr der Rotation, Analyse zum Aktienmarkt von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, dass die weltweiten Aktienmärkte im Verlauf des zu Ende gehenden ersten Quartals an Fahrt verloren haben. Gemessen am MSCI All Country World Index haben sie gegen Ende Februar mit 687 Punkten zwar ein Rekordhoch erreicht, bei einem Stand von zuletzt 664 Punkten verbleibt für den globalen Index seit Jahresbeginn jedoch nur noch ein überschaubares Plus von 2,7 Prozent. Das sieht nicht gerade nach einer besonders rosigen Einschätzung der Aussichten durch die Anleger aus.

Tatsächlich verdeckt der Blick auf den Gesamtindex einen gewaltigen Umschichtungsprozess, der im Herbst 2020 startete und von der Zuversicht getragen ist, dass die Pandemie mit Hilfe der hochwirksamen Impfstoffe überwunden wird und damit der Weg frei wird für eine fulminante Erholung der Wirtschaft von der schweren Corona-Rezession des Vorjahres. Wie 2020 gibt es auch 2021 einen geteilten Aktienmarkt - nur mit umgekehrten Vorzeichen. Die Corona-Verlierer aus dem zurückliegenden Jahr sind zu Gewinnern, genauer: zu Wiedereröffungsgewinnern mutiert, die Corona-Gewinner des Vorjahres haben das Nachsehen.

Die Anleger schichten aus defensiven in zyklische und Finanzwerte, aus Growth- in Value-Aktien um. Nach einem Verlust im Jahr 2020 von 15,4 Prozent liegt der MSCI World Value im laufenden Jahr mit 8,1 Prozent im Plus und schlägt damit sein Growth-Pendant, das um 1,8 Prozent nachgegeben hat, um rund 10 Prozentpunkte. Im zurückliegenden Jahr hatte der Growth-Index mit einem kräftigen Gewinn von fast 33 Prozent das Value-Barometer noch um rund 48 Prozentpunkte geschlagen.

Noch deutlicher schlägt sich die "Reopening"-Zuversicht der Anleger in der europäischen Branchen-Performance nieder. Nicht von ungefähr ist es eben der extrem hart von der Pandemie getroffene Reise- und Freizeitsektor, der mit einem Plus von mehr als 20 Prozent die Nase vorn hat, vor den Branchen Auto (20 Prozent), Banken (rund 19 Prozent) und Grundstoffe (Bergbau und Stahl, rund 13 Prozent).

Nicht auszuschließen ist allerdings, dass der Rotationsprozess in der nächsten Zeit auch mal ins Stocken geraten könnte. Wenn die von Virusmutanten getriebene Welle wie von Experten befürchtet zunächst noch zu einer deutlichen Verschlimmerung der Lage führt, kann dies angesichts des noch vergleichsweise schleppenden Impftempos in Europa zu Rückschlägen führen. Das wird aber die Wiedereröffnung und die kräftige Konjunkturerholung nicht aufheben, sondern lediglich aufschieben.

Die zuletzt veröffentlichten Stimmungsindikatoren untermauern das. Unbeeindruckt von den gerade für den europäischen Kontinent noch bestehenden Pandemierisiken hellt sich die Stimmung in der Wirtschaft merklich auf. Der Markit-Einkaufsmanagerindex für den Euroraum ist im März erstmals seit dem September 2020 wieder über die Schwelle von 50 Zählern gestiegen, ab der Wachstum signalisiert wird, und der am Freitag bekannt gegebene Ifo-Geschäftsklimaindex ist, in einem Umfeld stark zunehmender Coronainfektionen, im März um 3,9 auf 96,6 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit dem Juni 2019 geklettert. Somit bleibt das für Zykliker beziehungsweise Value-Aktien positive Umfeld einer sich abzeichnenden kräftigen Erholung der Konjunktur intakt.

Es spricht jedoch noch mehr für eine anhaltende Rotation. Über viele Jahre, und eben nicht erst seit der Coronakrise, haben die Anleger angesichts eines sich kontinuierlich abschwächenden Wachstums der Weltwirtschaft Growth-Aktien stark bevorzugt und Value-Titel verschmäht. Damit hat sich eine enorme Performance-Lücke und damit einhergehend auch eine sehr ausgeprägte Bewertungsdifferenz aufgebaut. Von Ende 2016 bis Ende 2020 hat sich der MSCI World Growth Index um rund 104 Prozent befestigt, während sich der MSCI World Value Index mit mageren 13 Prozent begnügen musste, eine Underperformance von sage und schreibe rund 90 Prozentpunkten.

Ebendiese Kombination aus einer herannahenden sehr starken Erholung der Wirtschaft und einem enormen Performance-Rückstand veranschaulicht, welches Potenzial auch nach dem guten Auftaktquartal noch in Zyklikern und Value-Aktien schlummert. 2021 hat vor diesem Hintergrund gute Chancen, das Jahr der Rotation und das erste seit langem zu werden, in dem Value-Aktien eine stärkere Performance erzielen als Growth-Werte.

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