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Humanitäre Rezepte, Kommentar zum Patentschutz der Corona-Impfstoffe von Sabine Wadewitz

Frankfurt (ots)

Der Patentschutz von Arzneimitteln ist entscheidend, um die Innovations- und Ertragskraft von Pharmaunternehmen dauerhaft zu garantieren. Wer in der Regel mehr als zehn Jahre braucht, um ein Produkt vom Reagenzglas zum Patienten zu bringen, und weiß, dass nur ein Bruchteil der Projekte aus Forschung und Entwicklung überhaupt den Markt erreicht, braucht die Sicherheit, für eine absehbare Zeit exklusiv vom Forschungserfolg profitieren zu können. Nur so kann das Geld für das nächste Projekt wieder hereingeholt werden. Das sind Grundprinzipien für das Ge­schäftsmodell der Pharmaindustrie. Wenn es darum geht, eine existenzielle globale Notlage zu bekämpfen, kann es geraten sein, diese Grundsätze temporär zu lockern, doch es muss zielführend sein.

Dass die USA überraschend eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe unterstützen, kann man begrüßen, weil es die Diskussion über eine gerechte Verteilung der Vakzine intensiviert und die berechtigten Interessen ärmerer Länder stärker in den Fokus rückt. An der verfügbaren Menge der lebensrettenden Wirkstoffe wird es indes so schnell nichts ändern. Es ist jedenfalls nicht bekannt, dass weltweit zahlreiche potenzielle Impfstoffhersteller mit einsatzfähigen Anlagen parat stehen und sie allein der Patentschutz daran hindert, morgen mit der Produktion von Corona-Abwehrstoffen zu beginnen. Die Impfstoffentwickler sind dagegen weiterhin aktiv auf der Suche nach neuen Kooperations- und Lizenzpartnern, um die Mengen hochzufahren. Dass ärmere Länder bislang zu kurz kommen, ist ein eklatantes politisches Versagen - auch der USA. Bislang haben zahlreiche Länder darauf hingewirkt, sich über Exportverbote in der Pandemiebekämpfung nationale Vorteile zu verschaffen. Diese Fehlsteuerung zu beseitigen, hat höchste Dringlichkeit.

Die Politik sollte sich gut überlegen, ob sie die Impfstoffentwickler auch nur temporär entmachtet. Es ist schwer zu kontrollieren, ob die berufenen alternativen Hersteller sich überhaupt an Interessen des Gemeinwohls orientieren, sie für nationale politische Ziele instrumentalisiert werden oder Technologie abgezogen wird. Mit dem Forcieren von Kooperationen und Lizenzverträgen dürfte es schneller und sicherer möglich sein, die Produktion anzukurbeln. Zur Not wären Zwangslizenzen ein Instrument, sollten sich Patentinhaber tatsächlich sträuben. Für eine humanitäre Verteilung gibt es genug politische Rezepte: von der Lieferquote bis zur Zwangsbelieferung.

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