Was vor Verteilung kommt, Kommentar von Angela Wefers zu linken Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl
Frankfurt (ots)
Mit der Kür der Linken-Spitzenkandidaten Janine Wissler und Dietmar Bartsch arrondiert sich das Bewerberfeld für die Bundestagswahl im Herbst. Co-Parteichefin und Co-Fraktionsvorsitzender sind im Wahlkampf die Gesichter ihrer Partei, die immerhin die Option eines grün-rot-roten Bündnisses ventiliert. Im Land Berlin regiert diese Farbkombination.
Bartsch steuert erklärtermaßen ein zweistelliges Wahlergebnis an. Mit einer Verdoppelung ihrer Vorhersagewerte würde die Linke an die Umfragen der SPD von um die 15 % heranreichen. Selbstbewusst bestätigten die Sozialdemokraten trotz ihres wenig aussichtsreichen Ausgangsniveaus am Wochenende Olaf Scholz mit einem fulminanten Ergebnis als Kanzlerkandidaten - und zugleich das Wahlprogramm der SPD.
Die Linke kämpft für Beschäftigte in Niedriglohnbranchen, Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen, bessere gesetzliche Renten und will Kinderarmut beseitigen. Es geht ihr dezidiert um "Umverteilung". Diesen Begriff meidet das SPD-Programm, hebt aber auf eine "gerechte Verteilung" von Einkommen und Vermögen als "Grundvoraussetzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft" ab. Die "ungleiche Verteilung" hält die SPD nicht nur für "sozialpolitisch bedenklich", sondern auch für "ökonomisch unvernünftig".
Die SPD sendet mit ihrem Wahlprogramm ein klares sozialpolitisches Signal, das dennoch nicht ganz so stark in den Umverteilungsstaat weist wie bei der Linken. Offen bleibt bei beiden, was vor der Verteilung kommt. Die enorm hohen Steuereinnahmen und der Überfluss in den Sozialversicherungen in der Dekade vor der Coronakrise sind nicht auf Umverteilung, sondern auf Wachstumsjahre und hohe Beschäftigung zurückzuführen. Lohn-, Einkommen- und Unternehmenssteuern sprudelten. Die gute Wirtschaftslage erlaubte den Bürgern auch mehr Konsum und füllt die Staatskasse mit Mehrwertsteuer.
Vor dem Verteilen kommt das Verdienen. Wer die Einkommensteuer erhöht, die Vermögensteuer wiederbelebt und den Mindestlohn deutlich nach oben schraubt, trifft damit vor allem mittelständische Unternehmen in der hierzulande weit verbreiteten Rechtsform der Personengesellschaft. Sollten betriebliche Werte von der Vermögensteuer ausgenommen werden, schrumpft das Aufkommen zum Symbolwert. Greift der Fiskus nach der Coronakrise stark zu, gräbt er der Wirtschaft das Wasser ab. Die wirksame Finanzierung der Verteilung müssen Linke und SPD noch erklären.
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