3,0, Kommentar zur Inflation von Mark Schroers
Frankfurt (ots)
Die Inflation im Euroraum hat im August wieder einmal alle Erwartungen übertroffen und mit einem regelrechten Sprung von 2,2 % auf 3,0 % den höchsten Stand seit einer Dekade erreicht. Damit ist sie zwar noch deutlich entfernt von Niveaus wie in den USA, wo seit Monaten eine Fünf vor dem Komma steht. Und weiter spricht vieles dafür, dass es schon Anfang 2022 wieder moderatere Raten geben wird. Der Europäischen Zentralbank (EZB) sollte das dennoch zu denken geben. Das leichtfertige Abtun jeglicher Inflationsgefahr und aller Inflationssorgen muss aufhören.
Sicher, der aktuelle Inflationsanstieg ist nach wie vor primär getrieben durch Basis- und Sondereffekte, die temporär sind. Aber zugleich mehren sich die Signale und Warnungen, dass die Inflation länger höher bleiben könnte als bislang gedacht. So legen etwa die Erzeuger- und Importpreise - als vorgelagerte Preisstufen - so kräftig zu wie seit den 1970er und 1980er Jahren nicht. Hellhörig werden lassen müssen die EZB-Granden auch die hohen Lohnforderungen deutscher Gewerkschaften von teilweise 5 %. Und nicht zu vergessen: Das weiter rasante Wachstum der Geldmenge kann auch ein Vorbote von mehr Inflation sein. Die EZB muss wachsam sein und darf nicht zu einseitig auf die Gefahr einer künftig (zu) niedrigen Inflation starren.
Das gilt umso mehr, wenn sie ernsthaft an einem besseren Dialog mit den Bürgern interessiert ist, wie ihn sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde wünscht. Die Bürger sind diejenigen, die den Preis der hohen Inflation zahlen - nicht zuletzt, weil die Teuerung die Lohnsteigerungen übertrifft oder weil von den ohnehin mickrigen Erträgen auf Erspartes immer weniger bleibt. Die Euro-Hüter sollten da mehr Verständnis zeigen für die Sorgen und Nöte der Bürger. Sonst droht eine weitere Entfremdung. Natürlich gilt das besonders für die Deutschen, die bekanntlich sehr allergisch auf Inflation reagieren. Aber die EZB muss auch ein besonderes Interesse haben, den Rückhalt im größten Euroland nicht vollends zu verlieren.
Längst hat das Thema auch die Politik in Deutschland erreicht - mitten im sich zuspitzenden Bundestagswahlkampf. Die Politik sollte sich aber davor hüten, die EZB als Sündenbock herzunehmen. Die beispiellos lockere Geldpolitik der EZB ist auch Ergebnis davon, dass sich die Politik in Krisen nur allzu gerne hinter der EZB versteckt, um unangenehme Entscheidungen zu vermeiden. Und der Staat hätte schon längst Mittel und Wege finden können, seine Zinsvorteile infolge der EZB-Politik mit den Bürgern zu teilen. Als Wahlkampfschlager taugt das Thema Inflation und Geldpolitik nicht.
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