Gefährliches Spiel
Kommentar von Mark Schrörs zur Kritik von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet an der EZB-Geldpolitik
Frankfurt/M. (ots)
Es gibt viele Gründe, das Ende des erschreckend inhaltsleeren und oft bedenklich niveauarmen Bundestagswahlkampfes herbeizusehnen - auch wenn damit der Tag der Entscheidung, die viele Bürger nicht zu Unrecht nur noch als Wahl des kleinsten Übels wahrnehmen, keineswegs leichter wird. In den vergangenen Tagen hat sich nun ein weiterer Grund dazugesellt: die Kritik und Polemik vor allem seitens der Union an der und gegen die Europäische Zentralbank. Sicher kann man vieles an der EZB-Politik kritisieren. Mit populistischen Attacken im Wahlkampf ist aber niemandem gedient.Unionskanzlerkandidat Armin Laschet zeigte sich nun "alarmiert", dass die derzeit hohe Inflation den Wert von Ersparnissen, Renten, Lebensversicherungen und Bausparverträgen "massiv" schmälere. Kurz zuvor hatte CDU-Politiker Friedrich Merz sogar lautstark eine Abkehr vom ultralockeren Kurs gefordert, falls sich die höheren Preise festsetzen sollten. Und bereits vor einigen Wochen hatte der CDU-Wirtschaftsrat wegen des EZB-Negativzinses gegen eine "schleichende Enteignung" der Bürger gewettert.
Nun ist es wahrlich nicht so, dass die EZB über alle Kritik erhaben wäre. Im Gegenteil: So richtig vieles von dem war, was sie in der Coronakrise getan hat, so angemessen wäre es jetzt, den Ausstieg aus dem Krisenmodus anzugehen - gerade wegen der Risiken dieser Politik. Da tut sich die EZB allzu schwer. Besorgniserregend ist auch die nach außen getragene Gelassenheit, dass der Inflationsanstieg nur temporär sei und keine Gefahr darstelle. Vieles spricht für dieses Szenario, aber eine einseitige Fixierung auf eine eher zu niedrige Inflation ist verfehlt. Fragwürdig ist zudem, wenn die EZB deutschen Kritikern vorwirft, Angst vor Inflation zu schüren. Sie muss solche verbreiteten Sorgen ernst nehmen.
Die deutsche Politik ihrerseits sollte aber aufpassen, was sie wie kritisiert - und wann. Auch wenn die Corona-Notfallanleihekäufe zunehmend aus der Zeit gefallen erscheinen, ist selbige noch nicht reif für Zinserhöhungen. Zur ganzen Wahrheit gehört zudem, dass die Deutschen nicht nur Sparer sind, sondern auch Arbeitgeber, Steuerzahler oder Kreditnehmer - und als solche profitieren sie von den niedrigen Zinsen. Auch der deutsche Staat ist ein großer Profiteur, und er hätte die Bürger längst an diesem Vorteil partizipieren lassen können. Vor allem aber hat das entschlossene Handeln der EZB in der Coronakrise, wie in früheren Krisen auch, der Politik manche unpopuläre Entscheidung erspart. Da sollte sich Berlin ehrlich machen. Wer im Wahlkampf die EZB als Prügelknaben hernimmt, betreibt nur das gefährliche Spiel der Euro- und Europa-Gegner.
(Börsen-Zeitung, 21.09.2021)
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