Der lang vermisste Applaus, Kommentar zu Bayer von Annette Becker
Frankfurt (ots)
Das gab es lange nicht mehr: Bayer legt Quartalszahlen vor und Investoren samt Analysten applaudieren. Die wohl wichtigste Erkenntnis des Zwischenberichts: In der Agrarchemie bekommt Bayer endlich die Kurve - zumindest operativ. Zumal zum Umsatzsprung um 27 Prozent nicht nur kräftige Mengensteigerungen beitrugen. Vielmehr gelang es (endlich) auch, die gestiegenen Herstellungskosten in höhere Absatzpreise umzumünzen. Auch das führte zum Swing um gut 500 Mill. Euro im operativen Spartenergebnis vor Abschreibungen.
Natürlich wäre es verfrüht, die Geschäftsentwicklung eines einzelnen Quartals als Beleg für die gelungene Trendwende heranzuziehen. Für das Erreichen der - wenngleich in homöopathischen Dosen - hochgesetzten Jahresziele kommt es jedoch vor allem auf die Agrarchemie an. Gäbe es in dieser Hinsicht keine Zuversicht, hätte es Bayer bei der August-Prognose belassen.
Fast skurril wirkt vor diesem Hintergrund, dass Bayer zugleich den Wechsel an der Spitze der Pflanzenschutzsparte bekannt gibt. Zwar verlässt Liam Condon, der die Division seit Ende 2012 leitet und federführend in die Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto involviert war, den Konzern auf eigenen Wunsch. Dass der Manager nach mehr als 30 Jahren Firmenzugehörigkeit ganz aus freien Stücken nach neuen Karrieremöglichkeiten Ausschau hielt, wirkt allerdings wenig plausibel.
Zumal sich Condon vorwerfen lassen muss, die mit der Monsanto-Akquisition verbundenen Erwartungen an den Ergebnis- und Cash-flow-Beitrag der Pflanzenschutzsparte regelmäßig verfehlt zu haben. Angefangen bei der unrealistischen Mittelfristprognose, die Bayer Ende 2018 aufgestellt hatte - demnach sollte die Agrarchemie bis 2022 eine Marge von mehr als 30 Prozent erwirtschaften -, bis hin zur enttäuschenden Margenentwicklung im ersten Halbjahr dieses Jahres. Nicht zuletzt deshalb hatte der Kapitalmarkt Condon das Vertrauen entzogen.
So erfreulich es wäre, wenn die Agrarsparte absehbar zu neuer Stärke erblühte, so nachdenklich muss stimmen, dass bei Bayer ein weiteres Rechtsrisiko aufgetaucht ist. Diesmal geht es zwar nicht um Produkthaftungsklagen, sondern um den Vorwurf fehlerhafter Kapitalmarktinformation. Besser macht das die Sache jedoch nicht, auch wenn sich Bayer schon längst mit Gutachten munitioniert hat, die dem Vorstand aktienrechtlich einwandfreies Verhalten im Zusammenhang mit der Übernahme von Monsanto bescheinigen.
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