Schwere Waffen, Kommentar zu Energieimporten von Andreas Heitker
Frankfurt (ots)
Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, umso stärker werden die russischen Energielieferungen Teil der Auseinandersetzung. Denn auf der einen Seite versuchen die EU-Staaten in Windeseile ihre über Jahre aufgebaute Erpressbarkeit zu verringern und Moskaus Kriegskasse nicht noch weiter zu füllen. Auf der anderen Seite lässt auch Russland immer wieder die Muskeln spielen - sei es über die Neudefinition der Zahlungsmethoden, über das Abdrehen des Gashahns für einzelne EU-Staaten oder jetzt zuletzt mit den Sanktionen gegen die Handels- und Speicher-Töchter von Gazprom Germania, die Deutschland unter Treuhandschaft genommen hatte.
Die EU-Länder - und hier insbesondere Deutschland - haben es durch ihren Energiebezug zugelassen, dass Russland wirtschaftliche und politische Waffen in die Hand bekommt, die der Kreml jetzt auch nutzt. Es war, wenn man so will, die unbewusste Lieferung schwerer Waffen, die Moskau gemeinsam mit den vielen Milliarden Euro und Dollar für Gas, Öl und Kohle erhielt. Aktuell gab es lediglich Warnschüsse mit diesen Waffen, und die Versorgungssicherheit ist in allen EU-Staaten weiter stabil. Aber die immer neuen Unterbrechungen der (Gas-)Lieferungen befeuern Ängste in den Unternehmen und privaten Haushalten, lassen die Preise an den Großhandelsmärkten weiter steigen und machen neue Sanktionspakete gegen Russland damit noch schwieriger.
Von daher sind die vielen Initiativen, die in den letzten Wochen in Brüssel, in Berlin oder von der Internationalen Energieagentur angestoßen wurden, um Europa seine Unabhängigkeit zurückzugeben, auch so wichtig. In den nächsten Tagen will die EU-Kommission noch einmal nachlegen und Vorschläge für noch mehr Erneuerbare und noch mehr Energieeinsparungen veröffentlichen. Dies ist der richtige Weg. Zwar ist auch das Bemühen um eine weitere Diversifizierung der Lieferwege in der aktuellen Situation richtig. Aber dies kann nur eine Übergangslösung sein. Die EU muss dabei immer aufpassen, sich nicht in neue langfristige Abhängigkeiten zu begeben, die dann wieder ein neues Erpressungspotenzial beinhalten.
Wie komplex und schwierig der Weg noch wird, zeigt eine andere aktuelle Berechnung aus Brüssel: Fast 200 Mrd. Euro an zusätzlichen Investitionen werden in den nächsten fünf Jahren erst einmal nötig sein, um die Energieinfrastruktur in der EU fit für die neuen Herausforderungen zu machen. Die energiepolitische Vollbremsung der EU wird alles andere als ein Selbstläufer.
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