Börsen-Zeitung: Kommentar von Walther Becker: Merger & Arbitrage
Frankfurt (ots)
Merger & Arbitrage Von Walther Becker
Rund 90 öffentliche Übernahmeangebote hat es seit Bestehen des Übernahmegesetzes Anfang 2002 gegeben. Nach anfänglichen Unsicherheiten hat sich im Zusammenwirken der professionellen Marktteilnehmer Emittenten, Investmentbanken, Anwaltskanzleien mit der Aufsicht BaFin ein Praxis-Standard herausgebildet. Doch noch steht der Crash-Test für das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) aus.
Einige Punkte wie die Zurechnung von Stimmrechten (acting in concert) sind geklärt. Andere harren der Klarstellung. Dazu zählt neben der Anpassung deutscher Vorschriften an die EU- Übernahmerichtlinie insbesondere die Grauzone zwischen WpÜG und Aktienrecht. Sie wird regelmäßig bei Beherrschungsverträgen und Squeeze-outs virulent. Paradebeispiele sind Wella und Celanese. Die Wende markiert der Haarkosmetiker. Seit dem Angebot von Procter & Gamble im Frühjahr 2003 hat sich das Verhalten von Minderheitsaktionären geändert, nur noch wenige öffentliche Angebote erreichen die 95-%-Schwelle. Erst dann ist ein Herausdrängen von Minderheitsaktionären (Squeeze-out) und der Rückzug von der Börse möglich. Das nächste Beispiel wird der Erwerb von Phoenix durch Conti-Gummi. Bei Celanese ist die Unzulänglichkeit des rechtlichen Rahmens deutlich vor Augen geführt worden. Ursprünglich bot US- Finanzinvestor Blackstone 32,90 Euro je Aktie. Wer nicht abgab, dem wurden später mit 41,29 Euro 30% mehr offeriert. Denn Blackstone will einen Beherrschungsvertrag. Dafür reicht zwar eine Beteiligung von 75%, doch ist ein weiteres Angebot an außenstehenden Aktionäre nötig. Im Gutachten zählt nicht der Börsenkurs, sondern die Ertragskraft (auf den Barwert abgezinste erwartete Überschüsse) zur Feststellung des Abfindungspreises. Dieser liegt regelmäßig über dem öffentlichen Angebot mit dem Effekt: Wer vorher verkaufte, schaut nach einem solchen Gutachten in die Röhre.
Professionelle Investoren loten die Chancen auf einen Squeeze-out aus, um eine höhere Rendite herauszuschlagen. Erst mit dem Nutzen der Grauzone erlangen sie den aus ihrer Sicht wirklich fairen Preis. Was der Markt will. ist klar: Wella-Vorzüge lagen am Montag um 6,6% über dem letzten Angebot, Celanese notieren 5,5% über der erhöhten Offerte und Phoenix stellt die Conti-Offerte um 11,5% in den Schatten. Ob Merger-Arbitrage-Strategen Positionen aufbauen, um damit einen intakten Markt zu torpedieren oder Minderheiten die sich ihnen bietenden Lücken besetzen: Wie man es auch dreht und wendet, die Transparenz, die das Übernahmegesetz bieten sollte, geht im Aktiengesetz wieder verloren. (Börsen-Zeitung, 3.8.2004)
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