Börsen-Zeitung: Kommentar von Michael Flämig zu den Halbjahreszahlen der Allianz: Das Timing bei der Allianz
Frankfurt (ots)
Die Allianz-Aktie lässt sich dieser Tage so schwer an den Mann bringen wie ein Wintermantel. Das Investment lockt zwar mit allerlei Kaufanreizen, doch scheint es nicht in die Zeit zu passen. Der gestrige Handelstag liefert erneut einen Beleg. Nach Vorlage der Halbjahreszahlen stieg die Aktie zwar um 2% und schnitt damit etwas besser als der Deutsche Aktienindex (Dax) ab. Doch die geringe Outperformance enttäuscht, wenn man das akkurate Treffen der Erwartungen und die monatelange Underperformance berücksichtigt. Denn die mittelfristige Bilanz ernüchtert: Im ersten Halbjahr hat der Finanzdienstleister 11% seines Wertes verloren, während der Dax leicht zulegte. Auch im Vergleich zu der kontinentaleuropäischen Branchenkonkurrenz im Dow Jones Euro Stoxx Insurance hinkt die Allianz hinterher. Die Wettbewerber legten im zweiten Quartal sechsmal schneller zu. Was läuft falsch? Das Allianz-Management tut sich schwer mit Erklärungen. Im Mai hieß es noch, die Aktie leide unter der Spekulation über eine Zinserhöhung. Vorstandsvorsitzender Michael Diekmann interpretierte die Zurückhaltung nun mit Zweifeln an der Dauerhaftigkeit der Verbesserungen. Diese These lässt sich differenzieren. Denn im Kapitalmarkt-Umfeld ist eine Zweiteilung der Urteile zu beobachten. Weite Teile der Wirtschaftspresse und vor allem die Analysten beurteilen die Aktie nun positiv. Beispielsweise stuften sechs der acht Analysten, die gestern bis 19 Uhr ihre Neueinschätzung an Bloomberg meldeten, das Papier mit Buy oder Outperform ein. Dagegen halten sich die Investoren auf dem Niveau von 76 Euro je Aktie zurück. Warum?
Das Wiedergewinnen von Vertrauen ist ein langwieriger Prozess. Die Allianz erlebt, dass im Zweifel noch häufig gegen das Unternehmen geurteilt wird. Nur das dauerhafte Einlösen oder Übertreffen von Prognosen wird dies ändern. Die Allianz leidet dabei zusätzlich unter einer angelsächsischen Skepsis bezüglich Deutschland, denn 17% des Grundkapitals liegen in den USA oder Großbritannien. Ob sich der Zweifel des Kapitalmarktes originär gegen das Modell des integrierten Finanzdienstleisters richtet, ist kaum zu sagen. Doch eine Glaubensfrage ist dies für Investoren nicht. Für sie zählen messbare Ergebnisse.
Die Zurückhaltung ist in gewisser Hinsicht rational. Denn das Timing für ein Investment könnte wie bei einem Wintermantel in sechs Monaten günstiger sein. Erstens hat die Münchener Rück dann wohl weitere Anteile abgegeben. Zweitens will die Allianz selbst die Früchte ihrer Arbeit hauptsächlich vom Jahr 2005 an ernten. Warum also die Story von einem kurzfristig motivierten Einstieg beim aktuell niedrigen Niveau abgesehen schon kaufen?
(Börsen-Zeitung, 17.8.2004)
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