Börsen-Zeitung: Der neue Stil der Aufsicht, Kommentar zu den zunehmenden Klagen über die Finanzaufsicht BaFin, von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Früher trafen sich Kontrolleure und Kontrollierte auf eine Tasse Kaffee. Probleme konnten so meist auf dem kurzen Dienstweg ausgeräumt werden. Ihre Wertberichtigungen erscheinen mir knapp bemessen, sagte der Mann oder die Frau vom BAKred. Dann legen wir noch ein bisschen nach, antwortete der Banker. Der Stabilität des deutschen Finanzsystems hat das nicht erkennbar geschadet. Zugegeben: Damals war es ein wenig einfacher. Das Schlagwort Bankenkrise kannte man nur aus dem Ausland. In jüngerer Zeit hingegen ließen es die Zustände im hiesigen Kreditgewerbe durchaus geboten erscheinen, von Fall zu Fall genauer hinzuschauen.
Doch unabhängig davon, wie sich die Ertrags- und Risikolage der Branche jeweils darstellt: Evident ist, dass die Aufsicht ihre Gangart verschärft hat, seit das BAKred samt Versicherungs- und Wertpapieraufsicht in der BaFin aufging und diese mit zusätzlicher finanzieller und personeller Power ausgestattet wurde. Neben größerer Strenge der Hüter der Finanzstabilität beklagen die Betroffenen eine krasse Formalisierung der Aufsichtspraxis. Dass sich beide Seiten auf informellem Wege kurzschließen, um Differenzen zu beseitigen, scheint inzwischen die Ausnahme zu sein: Heute kommt ein Schriftsatz vom Amt. Als Indizien für härteres Durchgreifen kann man auch die obwohl es immer weniger Institute gibt gestiegenen Zahlen der Sonderprüfungen oder der gravierenden aufsichtsrechtlichen Beanstandungen wegen Normverletzungen heranziehen. Diese Entwicklung dürfte kaum allein auf grassierenden Schlendrian in Banken und Sparkassen zurückzuführen sein, sondern nicht zuletzt auf den veränderten Aufsichtsansatz.
Wenn nun sogar Bundespräsident Horst Köhler kritisiert, dass die erhöhte Prüfungsintensität zu einer (übermäßigen) Risikoaversion der Kreditgeber führe, sollte man das nicht einfach als nachträgliche Lobbyarbeit bzw. einseitige Parteinahme des ehemaligen Sparkassenpräsidenten abtun. Klagen über den neuen Stil der BaFin sind aus allen drei Säulen der Zunft zu hören mit deutlich steigender Tendenz und umso lauter, je mehr die gerade für kleine Häuser erdrückende Regulierungsdichte ohnehin zunimmt.
Die Kunst der Aufsicht besteht darin, das richtige Maß zu finden. Agierte die BaFin als zahnloser Tiger, wäre das letztlich zum Schaden des Systems und damit auch der Marktteilnehmer. Beißt sie aber zu schnell und zu fest zu, leidet am Ende die Volkswirtschaft, weil die Banken aus Angst vor Sanktionen nur noch die ganz sicheren Geschäfte machen wollen und die sind eher selten. Daher wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl nicht zu verwechseln mit Laschheit im Umgang mit den Beaufsichtigten wünschenswert.
(Börsen-Zeitung, 28.10.2004)
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