Börsen-Zeitung: Verkorkste Reformkonzepte, Kommentar zum Unionsvorschlag einer einheitlichen Gesundheitsprämie von Stephan Lorz
Frankfurt (ots)
Wenn das Wort Reform in der deutschen Öffentlichkeit so nach und nach einen negativen Beigeschmack bekommt, liegt das nicht zuletzt auch an so verkorksten Reformvorschlägen, wie ihn jetzt CDU und CSU für das Gesundheitssystem vorgelegt haben. Denn in diesem Modell ist auch nicht ansatzweise erkennbar, worin der Fortschritt zum etablierten Gesundheitssystem eigentlich bestehen soll.
So ist die Abkoppelung der Kassenbeiträge von den Arbeitskosten durch die Festschreibung des Arbeitgeberbeitragssatzes nur teilweise gelungen. Um den Arbeitgeberbeitrag nur zu fixieren, bräuchte man schließlich keinen Systemwechsel. Es ist auch nicht erkennbar, dass durch die Pauschalbeiträge die Transparenz des Systems erhöht wird. Denn die damit verbundene Umverteilungsmaschinerie verstellt eher den Blick auf die anfallenden Kosten. Zuzahlungen und Praxisbeitrag, wie sie bisher schon existieren, sind für die Versicherten ein viel besserer Gradmesser für die Beanspruchung der Krankenkasse. Eigenverantwortung, wie das von den Unionsparteien stets gefordert worden war, kann sich auf diese Weise jedenfalls nur schwer entwickeln. Zudem ist auch nicht erkennbar, wie sich in einem Gesundheitssystem, in dem jeder für den gleichen Beitrag die gleichen Leistungen erhält, überhaupt Kassenwettbewerb und Kassenvielfalt einstellen sollen. Der Schritt hin zur Bildung einer Einheitskasse wäre also nur folgerichtig. In dieser Ecke aber winkt schon das von der Regierungskoalition favorisierte Modell der Bürgerversicherung, das dann tatsächlich jeglichen Wettbewerb aufhebt und Eigenverantwortung überhaupt nicht mehr aufkommen lässt.
Der wohl größte Makel im Unionskonzept jedoch ist die versäumte Weichenstellung hin zu einer höheren Kapitaldeckung, wie sie angesichts der Alterung der Gesellschaft und der im Alter rapide steigenden Gesundheitskosten eigentlich unabdingbar wäre. Hier haben die privaten Krankenkassen Vorbildliches geleistet und gewaltige Altersrückstellungen gebildet. Ihr Finanzierungsmodell müssten die gesetzlichen Kassen eigentlich kopieren. Denn die Altersrückstellungen sind in höchstem Maße solidarisch, weil jede Generation für seine eigenen Gebrechen im Alter vorsorgt. Dagegen wird sowohl bei der Bürgerversicherung als auch bei der Gesundheitsprämie von heute auf morgen umverteilt zulasten nächster Generationen. Das aber ist weder nachhaltig im Sinne der Beitragsstabilität noch sozial gerecht, wie sich das die Vertreter der Bürgerversicherung auf die Fahnen schreiben. Dabei ist ein generationenübergreifendes Gerechtigkeitsverständnis viel umfassender als die auf Umverteilung gründende Gleichheitsideologie.
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