Börsen-Zeitung: Die alte Garde schlägt zurück, Kommentar zur drohenden feindlichen Übernahme der New York Stock Exchange von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Wer erwartet hat, dass die Modernisierung der New York Stock Exchange (Nyse) problemlos über die Bühne gehen wird, hat sich getäuscht. Der zentrale Teil des Plans von Nyse-Chef John Thain, die Übernahme der börsennotierten Handelsplattform Archipelago, stößt auf Hindernisse. Es formiert sich Widerstand, der von der alten Garde der Nyse kommt.
Im Zentrum des Gegenangriffs steht Kenneth Langone, ein persönlicher Freund des geschassten Nyse-Chefs Richard Grasso. Das frühere Board- Mitglied der Nyse will ein eigenes Angebot für das Big Board vorlegen. Die Chancen dafür, dass er eine Offerte im Volumen von mehr als 3 Mrd. Dollar auf die Beine stellen kann, stehen nicht schlecht. Als einer der beiden Gründer der weltgrößten Baumarktkette Home Depot und Chef der Investmentboutique Invemed Associates verfügt er über die Expertise, um derartige Projekte umzusetzen. Hinreichend an Wall Street verdrahtet ist er auch.
Langone kann sich den entscheidenden Schwachpunkt des Archipelago- Deals zunutze machen. Er kritisiert die zentrale Rolle von Goldman Sachs, die in vielen anderen Firmen für erhebliche Verärgerung gesorgt hat. Goldman berät sowohl Nyse als auch Archipelago, stellt den neuen CEO der Nyse, besitzt mit Spear Leeds & Kellog eine der größten Nyse-Börsenmaklerfirmen und ist darüber hinaus mit einem Paket von 15% einer der Großaktionäre von Archipelago. Damit gibt es Interessenkonflikte gleich auf mehreren Ebenen sowie die Sorge, die Nyse könnte vollständig in den Goldman-Einflussbereich abtauchen. Ein Ansatzpunkt ist ferner die Tatsache, dass viele Nyse-Mitglieder die Bedingungen der Archipelago-Übernahme als für sie unvorteilhaft erachten.
Ob sich Langone letztlich gegen Thain durchsetzen kann, ist jedoch fraglich. Der Reformstau am US-Aktienmarkt ist so groß, dass der Goldman-Einfluss im Vergleich zu einer drohenden Zementierung des Status quo vielen Beteiligten als das kleinere Übel gilt. Noch schwerer wiegt, dass Langones Rolle im alten Nyse-Board umstritten ist: Im Prozess um die angebliche Selbstbereichung Grassos wird er selbst einer der Angeklagten sein. Trotz aller Kritik an der neuen Nyse-Führung und an der Archipelago-Übernahme gibt es an Wall Street kaum jemanden, der auf derselben Seite wie Richard Grasso stehen möchte.
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