Börsen-Zeitung: Neue Radikalität bei Siemens, Kommentar zur Halbjahrespressekonferenz von Michael Flämig
Frankfurt (ots)
Der neue Siemens-Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld beweist Mut. Spätestens im April 2007 sollen alle zwölf operativen Bereiche des Konzerns ihre Renditeziele gleichzeitig erreichen. Dies ist noch nie gelungen. Die Zielsetzung wird um so anspruchsvoller dadurch, dass Kleinfeld und sein Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger sie nicht einmal unter die üblichen konjunkturelle Vorbehalte stellt.
Diese Radikalität sendet ein deutliches Signal nach innen: Es gibt keine Ausreden mehr. Artenschutz wie für den IT-Dienstleister SBS, der seit Jahren zweifelhafte Ergebnisse liefert, ist passé. Der Philosophiewechsel, der in den vergangenen Jahren bereits abschnittsweise zu beobachten war, wird damit vollendet. Der Vorstand akzeptiert es nicht mehr als unangenehmes Naturgesetz, dass in dem Konglomerat immer ein Gebiet negative Schlagzeilen liefert. Die aktivere Portfolio-Politik, die nach den jüngsten Akquisitionen nun auch auf der Verkaufs- und Kooperationsseite beginnt, ist nur eine logische Konsequenz dieser Position. Handys können mittelfristig die Margenziele nicht erreichen? Also wird eine Trennung angegangen. Mit 5,5 Mrd. Euro steht ein gewaltiger Brocken des Siemens-Umsatzes für eine Kooperation zur Verfügung. Seit dem Börsengang von Infineon hat es einen solchen Einschnitt nicht mehr gegeben. Die Präsentation in Lissabon könnte insofern Ausgangspunkt eines Konzernumbaus sein wie einst die Vorstellung des 10-Punkte- Programms im Jahr 1998. Wie soll SBS in der derzeitigen Aufstellung die Zielmarge schon in zwei Jahren erreichen? Das scheint unmöglich. Auch Com müsste < selbst nach der Trennung von den Handys von einem Branchen-Boom beglückt werden, um so weit nach vorne zu kommen. Ohne weitere Einschnitte geht es also auch hier nicht.
Die Radikalität sendet aber auch ein Signal an den Kapitalmarkt. Jenseits der aktuellen Turbulenzen kann er mittelfristig mit einem wesentlich profitableren Konzern rechnen. Die Kehrseite der Medaille: Über dem Ergebnis des aktuellen Geschäftsjahres hängt die Gefahr sehr hoher Restrukturierungskosten. Diese Unsicherheit wird den Aktienkurs so lange belasten, bis die Portfolio-Struktur geklärt ist und die Margenziele glaubhaft werden. 2005 ist ein Durchgangsjahr.
Kleinfeld hat Mut. Er mutet aber auch seinen Beschäftigten und seinem Aufsichtsrat viel zu.
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